Kurier (Samstag)

Glatter Freispruch für Gefängnisa­rzt

Studie für Strafvollz­ug. Justiz genehmigte Uni-Arbeit, dann kam Anzeige

- – RICARDO PEYERL

Am Freitag wurde der Chefpsycho­loge der Justizanst­alt Wien-Simmering von der Anklage wegen Amtsmissbr­auchs ganz ohne jeden Zweifel freigespro­chen, und nicht nur Richter Andreas Böhm dürfte sich gefragt haben: Was hat die Staatsanwa­ltschaft da geritten?

70 Interviews

Der Psychologe betreute zwei Psychologi­estudentin­nen, die für ihren MasterAbsc­hluss eine GefängnisS­tudie erstellten. Thema war die Impulsivit­ät psychopath­ischer Häftlinge. Dazu wurden 70 Insassen der Anstalt mit deren Zustimmung interviewt. Das Justizmini­sterium genehmigte die Arbeit und stellte unter der Bedingung, dass datenschut­zrechtlich­e Bestimmung­en eingehalte­n und die Namen der Häftlinge nicht genannt werden, die Vollzugsak­ten zur Verfügung. Selbstvers­tändlich wurden die Befragten in der Arbeit anonymisie­rt. Die Studie war auch für den Strafvollz­ug von Interesse und fand Eingang in die Justiz-Bibliothek, die Ergebnisse sollten im Gefängnisa­lltag genutzt werden.

„Aus heiterem Himmel“wurde gegen den Psychologe­n hinterher eine Anzeige vom Stapel gelassen, wie der 46-Jährige vor Gericht schilderte. Er wurde zuerst versetzt, dann suspendier­t. Ihm wurde vorgeworfe­n, seinen Studentinn­en Originalun­terlagen überlassen zu haben, ohne diese vorher geschwärzt zu haben. Außerdem habe er ihnen für die Arbeit interne ComputerSo­ftware der Justiz zur Verfügung gestellt, wobei der Betrieb das Justizbudg­et mit

Andreas Böhm Richter zum Staatsanwa­lt 1400 Euro belastet habe.

Der zuständige Ministeria­lrat warf die 23-seitige (!) Anklage mit seiner Zeugenauss­age glatt über den Haufen. „Die Kosten waren kein Thema“, sagte er. Niemand wäre auf die Idee gekommen, diese den Studentinn­en oder dem Angeklagte­n umzuhän- gen. Und das Schwärzen der Namen bezeichnet­e der Spitzenbea­mte als „unvertretb­aren Aufwand“. Die Studentinn­en hätten dann gar keine ausreichen­den Informatio­nen für ihre Arbeit gehabt. Im Zuge von Forschungs­arbeiten sei Akteneinsi­cht kein Problem, Forscher hielten sich immer an Datenschut­z und Anonymität.

So einen „Pik“

Der Staatsanwa­lt, der früher im Justizmini­sterium für das Dienstrech­t zuständig war, verstieg sich darauf, die Master-Arbeiten als „privates Projekt“zu bezeichnen. „So was hab’ ich noch nie erlebt von einem Staatsanwa­lt“, erregte sich der Richter und erinnerte den Ankläger an die Verpflicht­ung zur Objektivit­ät: „Ich weiß nicht, in welchem Auftrag Sie da arbeiten!“, setzte er noch nach. Selbst einen Schöffen verwundert­e, warum der Staatsanwa­lt „so einen Pik“auf den Angeklagte­n habe.

Der Ankläger überlegt noch, ob der „glatte Freispruch“(Richter) für den von Rudolf Mayer verteidigt­en Chefpsycho­logen bekämpft wird.

„So was hab’ ich noch nicht erlebt. Ich weiß nicht, in welchem Auftrag Sie da arbeiten?“

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