Felix Gottwald: „Wir waren Täter und Opfer“
Österreichs erfolgreichster Olympiasportler berichtet über die Übergriffe in Stams
„Diese Unterwerfungsrituale waren Alltag.“
Felix Gottwald ist der erfolgreichste Olympiasportler Österreichs. Drei Mal holte er Gold in der Nordischen Kombination, sieben OlympiaMedaillen gewann der heute 41-jährige Salzburger insgesamt. Nach einem Besuch der Jubiläumsfeier „50 Jahre Skigymnasium Stams“äußerte er sich nun erstmals zu den Übergriffen, die auch er Anfang der 1990er-Jahre in Stams erlebt hat:
Machtdemonstrationen
„Ja, es gab sie, diese demütigenden und entwürdigenden Rituale, Pastern und ein paar andere – aus heutiger Sicht nicht nachvollziehbare – brutale Machtdemonstrationen der Älteren, Kräftigeren, Mächtigeren gegenüber Jüngeren, Schwächeren, Ohnmächtigen. Diese Unterwerfungsrituale waren Internatsalltag, keine Einzelfälle. Einzelfall wäre eher, wenn es tatsächlich jemand nicht mitbekommen oder nicht selbst verspürt haben sollte. So wurde, in Stams und wohl auch in anderen Internaten, die Rangordnung hergestellt – und weil wir ja Täter und Opfer gleichermaßen waren, stiftete die Geheimhaltung auch die Verschworenheit einer Schicksalsgemeinschaft. Gegen Ende meiner Zeit in Stams, so hatte ich den Eindruck, trug das Engagement des damaligen Heimleiters gegen die Art von Übergriffen Früchte, und Pastern als Ritual war abgeschafft.“ Felix Gottwald Olympiasieger Der Blick in seine Biografie hätte etwas zutage gefördert, das nun kaum zu begreifen sei, abgelegt als Episode in der Erinnerung unter dem Titel „War halt damals so“. Gottwald habe einige Zeit gebraucht, um die Erlebnisse zu ordnen: „Für die zwanghafte Aufgabe eigener Individualität zugunsten der Zugehörigkeit und Uniformität gibt es einen Fachbegriff: Normopathie. Das Phänomen, dass wir Menschen unter gewissen Bedingungen Dinge als ‚Normalität‘ akzeptieren, die weder normal noch akzeptabel sind.“
Schläge in der Südstadt?
Neue Missbrauchsvorwürfe im Zusammenhang mit bekannt gewordenen Missbrauchsvorwürfen in Sportschulen betreffen nun das Leistungszentrum in der Südstadt (NÖ). Laut Presse soll ein Internatsschüler im Rahmen eines „Begrüßungsrituals“um die Jahrtausendwende von Älteren mit Gürteln geschlagen worden sein. Der heute über 30-Jährige war laut der Tageszeitung von 2000 bis 2004 im Internat. „Dieser Vorwurf ist ein Skandal“, entgegnet Gunnar Prokop, Internatsleiter in der Südstadt von 1975 bis 2007.