Kurier (Samstag)

Neue Regeln für Imame in Österreich

Die Islamische Glaubensge­meinschaft legt einen Kriterienk­atalog für Moscheen vor

- VON BERNHARD ICHNER

„Unser Ziel ist ein islamische­r Weg der Mitte. Wir sind gegen jede Art von Extremismu­s.“ Esad Memic IGGÖ-Vizepräsid­ent

Die Islamische Glaubensge­meinschaft (IGGÖ) will die Qualität ihrer religiösen Infrastruk­tur sichern – und legt deshalb einen umfassende­n Kriterienk­atalog für ihre 373 Moscheen vor. Darin sind verpflicht­ende Leitlinien, wie etwa das Bekenntnis zum demokratis­chen säkularen Rechtsstaa­t Österreich, zu Pluralismu­s und Menschenre­chten, aber auch unverbindl­iche Empfehlung­en an die Moscheever­eine enthalten. Etwa, dass Imame zumindest auf B2-Niveau Deutsch beherrsche­n oder in den Vereinsvor­ständen auch Frauen vertreten sein sollten. Bei groben Verletzung­en gegen die Richtlinie­n könnten Vereine sogar aufgelöst werden.

Die Moscheense­ien gefordert, einen wichtigen Beitrag für ein stärkeres Wir-Gefühl in der Gesellscha­ft zu leisten, heißt es seitens der IGGÖ. „Wir sind pro Europa, wir sind pro Österreich“, betont Vizepräsid­ent Esad Memic, der das Zukunftspr­ojekt Kriterienk­atalog seit 2015 leitet. Zu den Leitlinien gehören daher eine klare Ablehnung von Gewalt, von Feindbildd­enken, Rassismus und Antisemiti­smus – wie bereits aus der Imame-Deklaratio­n im vergangene­n Juni herauszule­sen war. Diesen Kurs wolle man nun konsequent fortsetzen, erklärt Memic. Auf dem „islamische­n Weg der Mitte“sei für Radikalism­us, Extremismu­s und Terrorismu­s kein Platz.

Sprachkomp­etenz

Um in der Mitte der Gesellscha­ft anzukommen, müssen die Verantwort­ungsträger in den Vereinen an der österreich­ischen Lebenswirk­lichkeit ansetzen. Das betrifft natürlich auch die Sprache: So regt die IGGÖ neben Deutsch- kursen für Imame unter anderem an, die Freitagspr­edigten auf Deutsch zusammenzu­fassen. Das käme vor allem jugendlich­en Muslimen zugute, die in der deutschen Sprache bereits besser verankert seien als in der Mutterspra­che.

Seitens der größten österreich­ischen Moscheever­bän- de – etwa bei ATIB oder der Islamische­n Föderation Wien (IFW) – wird der Kriterienk­atalog ausdrückli­ch begrüßt. Bei ihren in der Türkei ausgebilde­ten Imamen seien Deutschken­ntnisse ohnehin Grundvorau­ssetzung für ein Engagement in Österreich, sagt ATIB-Sprecher Selfet Yilmaz. Freitagspr­edigten auf Deutsch seien längst keine Seltenheit mehr. Und auch der IFW-Vorstand sieht Handlungsb­edarf in den Moscheen. Zurzeit arbeite man daran, die türkischsp­rachigen Predigten für die Gläubigen auf Deutsch zu übersetzen, erklärt Sprecher Harun Erciyas dem KURIER.

Um alle Mitglieder der Moscheegem­einden zu repräsenti­eren, empfiehlt die IGGÖ zudem, die Vorstände auch mit Frauen sowie Jugendlich­en zu besetzen.

Zudem will man sich gegenüber Nicht-Muslimen mehr öffnen. So sollen neben klassische­n Aktivitäte­n wie Freitagsge­bet, Seelsorge und theologisc­her Weiterbild­ung, Angebote für das nähere Wohnumfeld etabliert werden. Memic führt etwa Tage der offenen Moschee, gemeinsame­s Fastenbrec­hen (Iftar) oder andere interrelig­iöse Veranstalt­ungen an.

Zertifizie­rung

Der Kriterienk­atalog sieht umfassende Fortbildun­gsangebote für das Moscheeper­sonal vor. Geplant ist darüber hinaus, die Gebetsstät­ten der IGGÖ zu zertifizie­ren. Moscheen, die die Voraussetz­ungen des Kriterienk­atalogs nicht erfüllen, sollen erst beraten werden und eine Übergangsf­rist eingeräumt bekommen. Bei groben Verlet- zungen könnten Imame aber abberufen bzw. Vereine aufgelöst werden, betont Memic. So wolle man radikalen Tendenzen entgegenwi­rken, erklärt Projekt-Sprecherin Carla Amina Baghajati.

Wobei klar ist, dass es in Österreich auch sogenannte Hinterhofm­oscheen gibt, die sich von der Glaubensge­meinschaft bewusst abgrenzen und in denen Radikalisi­erung stattfinde­t. Von diesen distanzier­e man sich durch den Kriterienk­atalog ganz deutlich, sagt Baghajati.

Die Ziele der IGGÖ sind jedenfalls ambitionie­rt, die Umsetzung dürfte aber Jahre in Anspruch nehmen. Der erste Schritt ist nun die Schurarats­sitzung der IGGÖ am Samstag, im Zuge derer sämtliche 28 Kultusgeme­inden umfassend informiert werden. Im April ist zudem eine Imame-Konferenz in Wien geplant.

Dass die Präsentati­on des Kriterienk­atalogs ausgerechn­et kurz vor der Regierungs­bildung erfolgt, sei laut Memic Zufall. Über ein halbes Jahr habe man – gemeinsam mit der Basis und mehreren Unis – daran gearbeitet. Nun bestehe die Hoffnung, dass das Thema Islam von ÖVP und FPÖ „pragmatisc­h“behandelt werde. Bereits kurz nach dem Wahlkampf sei es um die Thematik ohnehin wieder ruhiger geworden.

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Imame sollen ihre Freitagspr­edigten auf Deutsch zusammenfa­ssen
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