Computer-Pionier Michael Dell im Interview
Der Gründer des US-Computerkonzerns warnt vor zu viel Technologie-Pessimismus
Ein geborener Showman oder philosophisch angehauchter Technologie-Visionär war Michael Dell nie. Auch Interviewrunden mit Journalisten sollen nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen des 52-jährigen Texaners zählen. Lieber verbringe er Zeit bei Kunden, mit denen er pragmatische Lösungen für Problemstellungen suche und sie für technologische Entwicklungen zu begeistern versuche.
DasImagedesbodenständigen Geschäftsmannes mit Handschlagqualität hat Michael Dell nie abgelegt – in erster Linie wohl auch, weil es nicht bloß ein aufgesetztes Image ist. In einer kleinen Interviewrunde mit dem KURIER und anderen Journalisten wird das einmal mehrdeutlich. Mansollte den technologischen Veränderungen pragmatisch begegnen, um das Beste in den Bereichen Bildung, Umwelt und Gesundheit herauszuholen, meint Dell. KURIER: Als 19-Jähriger haben Sie Dell gegründet. Wie viel hat der Michael Dell von heute mit dem damaligen noch gemein? Michael Dell: Ich hatte Glück, als ich ein junger Mensch war. Ich konnte das tun, was mir Spaß machte. Und das ist auch heute noch so. Ich liebe meine Arbeit, sie ist spannend und trägt dazu bei, die Welt zu verändern. Ein Freund, der mich in den 80erJahren gut kannte und mich jetzt nach vielen Jahren wiedertraf, meinte, dass ich ganz derselbe geblieben bin. Die Rolle der Technologie in der Gesellschaft hat sich allerdings stark verändert. Viele fürchten, dass die zunehmende Vernetzung eine Menge Gefahren birgt.
Egal ob man 100, 60 oder 40 Jahre in der Geschichte zurückgeht oder heutige Diskussionen beobachtet – die Vorbehalte gegenüber neuen Technologien sind erstaunlich ähnlich. Es ist wohl so, dass die Menschheit von Horrorszenarien fasziniert ist. Ein ganzer Industrie-Zweig beschäftigt sich damit, was alles schiefgehen kann: ScienceFiction-Filme. Aber sind diese Warnungen tatsächlich so unberechtigt?
Auch wenn technologische Veränderungen immer mit gewissen Risiken und Herausforderungen verbunden sind, war das Ergebnis für die Menschheit letztlich doch meistens überwiegend positiv. Man muss sich auch fragen, ob man auf der richtigen Seite der Geschichte steht, wenn man technologischen Fortschritt verhindern will. Wir sollten uns eher fragen: Wie können wir uns bestmöglich vorbereiten, damit wir als Gesellschaft davon profitieren? Wie müssen wir unsere Leute ausbilden, welche Fähigkeiten braucht es, damit wir das Potenzial für Bereiche wie Bildung, Umwelt und Gesundheit voll ausschöpfen? Fakt ist aber auch, dass die Verantwortung der Firmen, die diesen technologischen Fortschritt vorantreiben, heute weitaus höher als vor 20 oder 30 Jahren ist – eben weil die Veränderungen in alle Aspekte unseres Lebens eingreifen. Oder sehen Sie das anders?
Es ist einfach zu sagen, die Technologie ist schuld. In Wahrheit ist die Technologie aber eher die Lösung als das Problem. Natürlich beteiligen wir uns an allen Diskussionen und erarbeiten auch Lösungen, die wir gemeinsam mit unseren Kunden als richtig erachten – etwa in den Bereichen Sicherheit und Privatsphäre. Gleichzeitig werden wir als Gesellschaft, aber auch die Politik nicht umhinkommen, Entscheidungen zu treffen, wie Technologie eingesetzt werden darf und soll. Viele sehen im „Internet der Dinge“ein neues Zeitalter anbrechen. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ich bin jetzt ein Drittel Jahrhundert in diesem Geschäft. Aber das nächste Drittel wird so viel spannender und interessanter werden. Ungeachtet aller Errungen- schaften, vom PC zum Smartphone, wird die Jetzt-Zeit rückblickend betrachtet wie die Großrechner-Steinzeit wirken. Unsere gesamte Welt wird künftig als digitales Abbild existieren, jedes physische Objekt bekommt eine digitale Entsprechung. Künstliche Intelligenz und maschinenbasiertes Lernen werden so zum Düsenantrieb für den menschlichen Fortschritt. Wie lange wird es dauern, bis die Gesellschaft von dieser Entwicklung wirklich profitiert?
Allein in den vergangenen vier Jahren hat der britische Chiphersteller ARM 100 Milliarden Sensoren global lizenziert. Angesichts einer Weltbevölkerung von nur acht Milliarden Menschen kann man sich die Ausmaße vorstellen, die das Thema bereits jetzt hat. Schon jetzt entstehen kreative Lösungen, indem gesammelte Echtzeitdaten und historisches Datenmaterial intelligent ausgewertet wird. Konzerne wie General Electric bilden sogenannte digitale Zwillinge ihrer Windturbinen und Medizingeräte in ihren Datencentern nach, um alles Mögliche zu simulieren und so die Leistung und Effizienz zu verbessern.