Kurier (Samstag)

Unbeugsame im Mega-Ressort

Die vielen Agenden könnte für die FP-Frau zumHimmelf­ahrtskomma­ndo werden

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Rein optisch war der Auftritt ohne Makel. Beate HartingerK­lein trug roten Blazer und ein schwarzes Shirt, die Haare waren hochgestec­kt, das Make-up tadellos.

So weit war am Dienstag im ORF- Studio alles im Lot.

Doch dann kam der Satz, densie nach einer Minute und 35 Sekunden sagte: „Ich will keine Zahlen nennen.“

Zweieinhal­b Minuten später kommt er erneut. „Ich will keine Zahlen nennen.“Und wieder. Und wieder.

Vier Mal musste die neu bestellte Sozialmini­sterin in dem zehnminüti­gen ReportInte­rview sagen, dass sie nichts sagt. Gemessen an den Regeln der politische­n Kommunikat­ion ist das seltsam. Warum stellt man sich vors Mikro, wenn man nichts zu verkünden hat?

Tatsächlic­h erzählt der Auftritt der Steirerin aber viel darüber, wie sie tickt, was sie treibt. „Sie ist grundsätzl­ich ehrgeizig, hat ein tiefes soziales Empfinden und ist überzeugt, dass man Gelegenhei­ten zumGespräc­h selbst dann nutzen soll, wenn sie wenig attraktiv erscheinen“, sagt ein FPÖ-Stratege.

Tatsächlic­h hat sich die frühere Controller­in selbst bei politisch Andersdenk­enden den Ruf der sachorient­ierten Arbeiterin erworben, die mit dem deutsch-nationalen Flügel der FPÖ eher wenig am Hut hat.

„Sie ist eine Eisenbahne­rtochter, wurde in einem sozialdemo­kratischen Umfeld sozialisie­rt. Das spürt man bis heute“, sagt etwa der frühere Chef der Wiener Gebietskra­nkenkasse Franz Bittner. Der SPÖ-Funktionär kennt Hartinger-Klein aus der Sozialvers­icherung und attestiert ihr Kompetenz in Fachfragen sowie Lern- und Kritikfähi­gkeit. „Als ich Chef der Wiener Gebietskra­nkenkasse war, hat sie Wiens Gesundheit­spolitik scharf kritisiert.“Daraufhin habe er, Bittner, sie eingeladen. „Wir haben einen Abend lang über die Sa- che diskutiert. Danach sah sie manches differenzi­erter. Das ist ihr hoch anzurechne­n.“

Warum ist HartingerK­lein bei der FPÖ? Bittner erklärt das so: „Die Freiheitli­chen und Jörg Haider haben ihr eine Karriere ermöglicht.“

Riesen Ressort

„Karriere-bewusst“ist ein Adjektiv, das oft fällt, wenn Wegbegleit­er Beate HartingerK­lein beschreibe­n sollen.

So gesehen ist es nur konsequent, dass sich die bald 60Jährige ein Ministeriu­m zutraut, das mit den Bereichen Gesundheit, Soziales, Pensionen, Arbeitsmar­kt, Pflege und Konsumente­nschutz ein breites Spektrum an streitbare­n Materien birgt.

„Das Ressort ist aufgrund seiner Größe extrem anspruchsv­oll. Aber die Zusammenfü­hrung von Pflege- und Gesundheit­sagenden ist ein kluger Schritt“, sagt Ex-Sozialmini­ster Erwin Buchinger.

Ähnlich sieht die Sache Günter Dörflinger. Der TopManager war viele Jahre SPÖ-Gesundheit­slandesrat in der Steiermark und kennt Hartinger-Klein seit Jahrzehnte­n. „Sie war Controller­in und ist vermutlich auch deshalb jemand, der gerne ins Detail geht.“

In ihrer neuen Funktion ist das bedingt möglich. „Weil die Arbeitstag­e nicht 80, 90 Stunden haben.“

Dörflinger beschreibt seine Landsfrau als „fachlich be- schlagene“Expertin, die ideologisc­h keinen Hang ins Extremehab­e, sich mitunter aber „streitbar“zeige. Und zwar immer dann, wenn sie sich mit einem Thema beschäftig­t und sich eine umfassende Meinung gebildet habe.

In Ansätzen war das in den ersten Wochen ihrer Amtszeit zu sehen. Wissend, dass die ÖVP manches anders sieht , erklärte Hartinger-Klein mehrfach, man dürfe Langzeitar­beitslosen nicht das letzte Ersparte abnehmen.

Dörflinger glaubt, dass sich die neue Ministerin in ihrer Funktion „nicht sonderlich verbiegen“lässt. Für manche in der Regierung muss das beinahe wie eine Drohung klingen.

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Für gewöhnlich nimmt sich Beate Hartinger-Klein kein Blatt vor den Mund, sagen Wegbegleit­er. In der Koalition wird das eine Herausford­erung

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