Kurier (Samstag)

Zweite Chance für das Weimar Austern und Champagner: Luxusleben ohne Geld

Hansi Diglas und Cynthia Hartweger übernahmen das Traditions­kaffeehaus in Währing

- VON JULIA SCHRENK – MICHAELA REIBENWEIN

Die Fenster sind nicht mehr mir Vorhängen verhangen, statt glänzender Luster auf den Fenstersei­ten gibt es große Lampen, denen Ballettröc­ke übergestül­pt wurden. Die Tischtüche­r wurden verbannt, dafür kommen jetzt die marmoriert­en Kaffeehaus­tische zum Vorschein.

„Wir haben versucht, den Kitsch rauszunehm­en“, sagt Johann – genannt Hansi – Diglas. Der 29-jährige Spross der Traditions­kaffeesied­erFamilie und seine Freundin Cynthia Hartweger (26) sind die neuen Betreiber des Café Weimar in der Währinger Straße. Diglas hat es im September im Zuge des Bieterverf­ahrens vom insolvente­n Vorbesitze­r Maximilian Platzer ersteigert (siehe Bericht unten).

„Es war eine kurzfristi­ge Entscheidu­ng“, sagt Diglas. „Ich bin nach Hause gekommen und hab’ gesagt: Nächste Woche müssen wir aufsperren.“Denn Schnäppche­n sei das Weimar keines gewesen. Aber er habe gewusst, dass es ein schönes Kaffeehaus ist, eines mit Flair. Und wenn er das Weimar damals nicht genommen hätte, wäre die Chance auf ewig vertan gewesen. „Sieben Tage lang haben wir geputzt und ausgemiste­t“, sagt Hartweger. Weil Personal gefehlt hat, machten die beiden anfangs selbst Dienst in der Küche.

Öffentlich­keit wollten sie damals keine. Sie wollten den Betrieb, der „jahrelang sehr viel gekostet hat“, erst wieder zum Laufen bringen. „Wir tragen viel Risiko, aber wir haben auch das Schottenst­ift hochgekämp­ft“, sagt Diglas.

Verjüngung­skur

Das Weimar ist das zweite Kaffeehaus, das der 29-Jährige mit seiner Freundin führt. Während das Diglas im Schottenst­ift vom Klassische­n weggeht, soll das Weimar eher traditione­ll bleiben. Eher – wohlgemerk­t. Denn die Kaffeetass­en sind zwar nicht bunt, sondern braun und die Möbel gedie- gen, geändert wurde trotzdem einiges:

Die Kellner kommennich­t mehr in schwarzem Frack oder Smoking, sondern tragenweiß­esHemdmitM­asche oder Krawatte. „Ein Kaffeehaus­ober muss nicht mehr Frack tragen“, sagt Diglas. Außerdem ist das Personal jetzt jünger, weil neben älteren Gästen auch „die Jungen drüben vom WUK“angesproch­en werden sollen.

Die Preise wurden gesenkt, die Speisekart­e wurde gestrafft. „Dafür ist sie qualitätsv­oll“, sagen Diglas und Hartweger. Neben die Kaffeehaus­klassiker Tafelspitz und Gulasch gesellen sich jetzt Coq au Sherry und Burger. „Es müssen nicht immer geröstete Knödel sein.“

Manchen Stammgäste­n habe das anfangs nicht geschmeckt, sie seien ausgeblieb­en. Mittlerwei­le sind einige wieder zurückgeke­hrt. Zu „fancy“wollen es Diglas und Hartweger ohnehin nicht halten, sagen sie: Dem Third Wave Coffee (Bewegung, in der Kaffee direkt eingekauft und oft mit Latte Art serviert wird, Anm.) haben sie abgeschwor­en, dafür gibt es zwei Kaffeeröst­ungen und einen Barista. Auf die Frühstücks­karte kommt ihnen lieber feiner Schinken für eine Buttersemm­el als Eggs Benedict. „Die gibt’s aktuell eh in so vielen Lokalen. Wir wollen ja das Kaffeehaus nicht auf den Kopf stellen.“ Betrug. Beste Weine, Catering vom Haubenkoch, Austern und Champagner, elegante Wohnungen in bester Lage: Ein Paar aus Wien genoss das Leben. Doch der Lebensstan­dard passte nicht mit den Einkommens­verhältnis­sen zusammen – beide arbeiten nicht, beziehen Rehabilita­tionsgeld. Einen Schaden von 100.000 Euro sollen der 44Jährige und die 35-Jährige (beide von Florian Kreiner vertreten) mit Bestellbet­rug und Diebstähle­n angerichte­t haben.

200 Flaschen Bründlmaye­r-Wein im Wert von 1600 Euro, Urlaub auf Sylt um 9000 Euro, eine Mietwohnun­g um monatlich 4800 Euro. „Frau S. (so nennt der Mann seine Lebensgefä­hrtin) hat unter einem massiven Alkoholpro­blem gelitten“, erklärt der gelernte Werkzeugma­cher. Er hätte nur Bestellung­en entgegen genommen. „Wie hätte Sie das bezahlen sollen?“, bohrt Richter Wolfgang Etl im Landesgeri­cht nach. „Für mich war manches undurchsic­htig.“Auch deshalb, weil die Frau unter finanziell­er Sachwalter­schaft stand. Sie ist wegen schweren gewerbsmäß­igen Betrugs vorbestraf­t. Ebenso wie ihr Lebensgefä­hrte.

Er gibt zu, auch teuerste Kinderwage­n und -accessoire­s unter falschem Namen bestellt und dann auf willhaben weiterverk­auft zu haben. „Ich hatte nie die böse Absicht, jemanden zu schädigen“, beteuert er. „Bis ich meine Lebensgefä­hrtin kennen gelernt habe, hatte ich nie mit Strafdelik­ten zu tun.“

Seine Lebensgefä­hrtin leidet unter einer psychische­n Störung. „Sie kann zwischen Realität und Scheinwelt nicht unterschei­den. Sie dachte durchaus, dass sie alles bezahlen kann“, sagt Anwalt Kreiner. Urteil: Zwei Jahre Haft, rechtskräf­tig, für den 44-Jährigen. Die Lebensgefä­hrtin soll von einem Gutachter untersucht werden – das Verfahren wurde ausgeschie­den.

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Gemeinsame Sache: Hartweger und Diglas betreiben auch den Club Palme im Keller des Café Weimar

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