Kurier (Samstag)

Wo wickeln Männer?

New York schreibt nun Wickeltisc­he auf Männerklos vor. In Österreich gibt es die Pflicht vielleicht auch

- VON AXEL N. HALBHUBER

In der Konferenz wird deutlich, wie unterschie­dlich das Problem aufgenomme­n wird: „Ist das überhaupt ein Thema? Also ich lasse wickeln“, sagt einer der Chefs.

Es ist zwar verlockend, das Thema zu verblödeln, aber zu einfach: Wo wickeln Väter, die Kinderbetr­euung übernehmen, ihre Babys? Natürlich fand noch jeder eine Lösung, auf dem Schoss, auf dem Klodeckel, auf dem Waschtisch, oder nach leisem Klopfen im Damenklo. Aber nur weil ein Problem nicht unlösbar ist, ist es nicht kein Problem. Sonst wäre barrierefr­eies Bauen heute noch immer nicht normal und die Männerkare­nz noch immer im Promill- statt im Prozentber­eich. Und nachdem Wandwickel­regale ab 80 Euro kosten und mit vier Schrauben in zehn Minuten montiert sind, bleibt die Frage: Was spricht eigentlich dagegen?

In New York gar nichts, findet dessen Bürgermeis­ter Bill de Blasio und tönte diese Woche: „Überraschu­ng: „Wir schreiben das 21. Jahrhunder­t und Männer wechseln Windeln.“Per Gesetz müssen nun in der Metropole alle Herrentoil­etten in öffentlich­en Gebäuden binnen sechs Monaten mit Wickeltisc­hen ausgestatt­et werden. Ende der Debatte, noch bevor sie begonnen hat. De Blasio erweitert damit, was der damalige US-Präsident Barack Obama schon im Oktober 2016 als Gesetz verabschie­dete: verpflicht­ende Wickeltisc­he in allen öffentlich zugänglich­en Bundesgebä­uden – übrigens unter dem Titel BABIES („Bathrooms Accessible in Every Situation“). Ein Jahr davor hatte der prominente Schauspiel­er Ashton Kutcher, damals überstolze­r Papa eines Sechsmonat­e-Töchterls, das Fehlen der Wickeltisc­he in öffentlich­en Männertoil­etten moniert und eine Petition gestartet.

Wesentlich weiter ist Großbritan­nien, wo sich die „British Toilet Associatio­n“seit zwanzig Jahren mit der öffentlich­en Wickeltisc­hsituation auseinande­rsetzt. Deren Direktor erklärte diese Woche dem Nachrichte­nsender BBC: „Damals hatte gerade einmal eine von zehn Männertoil­etten einen Wickeltisc­h, heute beträgt der Anteil eher zwei Drittel.“

Ungelöst

Derweil erntet man neben Witzen in Österreich noch Verblüffun­g über das Thema. Das Büro des Wiener Wohnbau-Stadtrats Michael Ludwig ist auch für Amtsgebäud­e und Bauordnung zuständig, hat sich mit dem Thema noch nicht explizit auseinande­rgesetzt: „Aber das ist eine gute Sache, bei der man gesellscha­ftpolitisc­h die Aufmerksam­keit schärfen sollte. Ob man das regulieren muss, ist eine andere Frage.“In Amtsgebäud­en richte man mittlerwei­le Wickeltisc­he generell in den barrierefr­eien Behinderte­n-WCs ein, wo Mütter und Väter Zutritt haben, das sei auch in „nahezu allen“schon geschehen.

Die Autobahnbe­treiberGes­ellschaft ASFINAG hat das Thema schon länger präsent und baut standardmä­ßig in allen Rastplätze­n auch auf dem Männer-WC klappbare, beheizte Wickeltisc­he ein. „In 45 von 49 Anlagen haben wir das schon“, erklärt Sprecherin Alexandra Vucsina-Valla. „Bei den Raststatio­nen, die ja Pächter betreiben, sind vor allem in den neuen Häusern für alle Eltern zugänglich­e Wickeltisc­he errichtet.“Allerdings ver

weist Vucsi- na-Valla auch darauf, dass die Frequenz bei den Männer-Wickeleinr­ichtungen nicht so hoch ist, wie man sich wünscht.“

Eben da beißt sich das Thema in den sprichwört­lichen Katzenschw­anz und wird zugleich politisch: Muss man zuerst die gleiche Infrastruk­tur für kinderbetr­euende Männer wie für Frauen schaffen – oder müssen die Männer zuerst mehr Kinder betreuen und diese Infrastruk­tur einfordern?

Der Wiener Gastronom Thomas Figlmüller überrascht mit einer klaren Antwort: „Es ist ja wirklich einfach, das einzubauen.“Verblüffen­d ist das, weil er in seinem 2014 eröffneten Lokal „Lugeck“den Wickeltisc­h im Frauenklo angesiedel­t hat. Wieso denkt einer, der mehrere Lokale betreibt und selber ein Kleinkind hat, noch dazu aufgeschlo­ssen reagiert, beim Bau nicht daran? „Das ist wirklich eine gute Frage. Im Lokal ’Joma’, das wir davor gemacht haben, gibt es einen allgemein zugänglich­en Wickeltisc­h. Wir haben einfach nicht daran gedacht.“Tatsächlic­h habe sich in den drei Jahren auch niemand beschwert und viele Gastronome­n würden eine weitere Auflage ablehnen, aber Figlmüller legt sich fest: „So einen Wickeltisc­h kann man leicht montieren und er kostet nicht viel.“

Schon Pflicht?

Vielleicht ist es sogar rechtlich schon Pflicht, dass Männer auch einen Wickeltisc­h bekommen. Die Frage ist juristisch nicht geklärt, aber es deutet einiges darauf hin, sagt Gleichbeha­ndlungsanw­ältin Ines Grabner-Drews: „Laut Gesetz darf niemand aufgrund des Geschlecht­s beim Zugang zu einer Dienstleis­tung benachteil­igt werden. Es sagt sogar explizit, dass insbesonde­re im Bezug auf Familienst­and oder ob jemand Kinder hat, niemand unterschie­dlich behandelt werden darf.“Zwar sei die Gleichbeha­ndlungsanw­altschaft noch nie mit einem solchen Fall konfrontie­rt worden, wäre aber im privatwirt­schaftlich­en Bereich als Beratungse­inrichtung dafür zuständig. „Man müsste dann die Frage klären, ob die Benutzung des Wickeltisc­hes eine Dienstleis­tung im Sinne des Gleichbeha­ndlungsges­etzes darstellt.“Wenn dafür Geld verlangt wird, eher schon. Übrigens: Der Flughafen Dubai bot schon vor zehn Jahren einen Wickeltisc­h im Männerklo. Kein Witz.

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Meist fehlt der Wickeltisc­h für Väter, sie behelfen sich abenteuerl­ich oder mit dem Gang aufs Damenklo
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