Der Wikinger-Piefke Herheim haut gleich zwei Mal Eier in die Pfanne Mariss Jansons: Ein großer Klangmagier wird 75
Theater an der Wien. Hommage.
Roland Geyer, Intendant des Theaters an der Wien, agiert erstaunlich weitsichtig: Für 2022 war eine Inszenierung von Stefan Herheim vorgesehen. Aber nun kommt „der in Deutschland sozialisierte Norweger“, wie sich der 47Jährige am Freitag bei einem Wohlfühltermin mit Vizebürgermeisterin Renate Brauner und Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) selbst bezeichnete, nicht bloß als Gast: Ab dem Herbst jenes Jahres wird der „Pief keWikinger“das Haus auch leiten. Bis dahin schmiedet er u.a. einen „Ring“an der Deutschen Oper Berlin.
Was für Roland Geyer eine Erstreckung der Frist bis zur Pensionierung bedeutet. Denn sein im Sommer 2020 auslaufender Vertrag wurde umzweiweitere Jahre verlängert. Die Zeit will er nutzen, um das Haus im technischen Bereich fit, nein, fitter zu machen. Zudem möchte er mit einem vier Saisonen umspannenden Spielplan noch ein paar „Kulturpfeiler“einschlagen – als Basis (oder Vorgabe) für Herheim.
Bis dato hatte der Regisseur alle Angebote, eine Intendanz zu übernehmen, abgelehnt: Er zog „die Bühnenbretter dem Büroparkett“vor. Aber im Laufe der Jahre habe er an den diversen Häusern Dinge erleben müssen, die ihn befremdet und beschämt hätten. Da es schwie- rig sei, kontinuierlich auf hohem Qualitätsniveau zu arbeiten, sei sein Bedürfnis „nach einer künstlerischen Heimat“gewachsen. Für sie legte er nun eine Art Eid ab: „Ich gelobe, dem Theater an der Wien treu zu dienen.“Sprich: Herheim wird seine freiberufliche Karriere „weitgehend einstellen, um inszenierender Intendant sein zu können“. Vertraglich vorgesehen sind zwei gesondert bezahlte Arbeiten pro Saison.
Konkretes anzukündigen vermochte er natürlich noch nicht. Ihm schwebt jedenfalls ein großes „Wir“(inklusive Publikum) vor, es werde eine übergeordnete Dramaturgie geben, die auf seiner eigenen Ästhetik fuße, und er will eine Lehre entwickeln, „die uns die Möglichkeit verschafft, nicht nur kontinuierlich neue Projekte anzugehen und Innovationen neu zu definieren, sondern ein ganz besonderes Musiktheater zu markieren“.
Zur Freude Freuds
Herheims Credo: „Es geht um Empathie im besten Sinne.“Dass er diese in hohem Maße besitzt, demonstrierte er mit einem Versprecher, der dem Sexualforscher Freud Freude bereitet hätte. Denn Herheim wollte Karl Kraus zitieren: „In der Kunst kommt es nicht darauf an, dass man Eier und Fett nimmt, sondern dass man Feuer und Pfanne hat.“Allerdings ersetzte er das Feuer in der Hitze des Gefechts durch weitere Eier.
Im Theater an der Wien stünden ihm aber noch ganz andere Ingredienzen zur Verfügung: Mehl, Zucker, Gewürze. Der Jamie Oliver des Opernbiz wird, keine Frage, was Leckeres zubereiten. Es gibt viele gute, einige sehr gute und wenige außergewöhnliche Dirigenten. Und dann, ja dann gibt es noch ihn: Mariss Jansons. Jenen so begnadeten Klangmagier, der künstlerisch (und auch menschlich) in seiner ganz eigenen Liga spielt. Morgen, Sonntag, feiert der gebürtige Lette seinen 75. Geburtstag.
Die Musik wurde dem Ausnahmekünstler quasi in die Wiege gelegt. Seine Mutter war eine erfolgreiche Sängerin, sein Vater der nicht nur in seiner Heimat berühmte Dirigent Arvid Jansons. Früh studierte Mariss Jansons daher Violine, Klavier und Dirigieren am damaligen Leningrader Konservatorium. Eine Sondergenehmigung führte den Studenten schließlich im Jahr 1969 nach Österreich, wo er seine Ausbildung bei dem legendären Hans Swarowsky und bei Herbert von Karajan fortsetzte.
Stationen
1973 wurde er – wie bereits zuvor sein Vater – stellvertretender Dirigent der Leningrader Philharmoniker. Von 1979 bis 2000 war Jansons Leiter des Oslo Philharmonic Orchestra, das er in dieser Zeit an die Weltspitze führte. 1992 wurde er zum HauptGastdirigenten des London Philharmonic Orchestra ernannt, 1997 zum Chefdirigenten des Pittsburgh Symphony Orchestra. Seit Herbst 2003 ist Jansons Chefdirigent von Chor und Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks; von 2004 bis Ende der Saison 2014/’15 war er zudem Chefdirigent des Amsterdamer Concertgebouw.
Österreich
Besonders eng ist Jansons den Wiener Philharmonikern verbunden, die er regelmäßig dirigiert und deren Neujahrskonzert er bis dato drei Mal (2006, 2012, 2016) leitete. Neben der Symphonie – hier setzt Jansons nicht nur bei Schostakowitsch, Mahler oder Bruckner Maßstäbe – gilt seine große Liebe vor allem der Oper. Zuletzt sorgte er bei den Salzburger Festspielen endlich auch in Österreich für eine exemplarische „Lady Macbeth von Mzensk“von Schostakowitsch; heuer wird an der Salzach Tschaikowskys „Pique Dame“mit den Wienern leiten.
Zum Geburtstag zeigt 3sat heute, Samstag, ab 20.15 Uhr grandiose Konzerte mit Jansons; das Bayerische Fernsehen ( ARD-alpha) startet am Sonntag einen mehrteiligen Mariss-JansonsSchwerpunkt.–