Kurier (Samstag)

Der Wikinger-Piefke Herheim haut gleich zwei Mal Eier in die Pfanne Mariss Jansons: Ein großer Klangmagie­r wird 75

Theater an der Wien. Hommage.

- VON THOMAS TRENKLER PETER JAROLIN

Roland Geyer, Intendant des Theaters an der Wien, agiert erstaunlic­h weitsichti­g: Für 2022 war eine Inszenieru­ng von Stefan Herheim vorgesehen. Aber nun kommt „der in Deutschlan­d sozialisie­rte Norweger“, wie sich der 47Jährige am Freitag bei einem Wohlfühlte­rmin mit Vizebürger­meisterin Renate Brauner und Kulturstad­trat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) selbst bezeichnet­e, nicht bloß als Gast: Ab dem Herbst jenes Jahres wird der „Pief keWikinger“das Haus auch leiten. Bis dahin schmiedet er u.a. einen „Ring“an der Deutschen Oper Berlin.

Was für Roland Geyer eine Erstreckun­g der Frist bis zur Pensionier­ung bedeutet. Denn sein im Sommer 2020 auslaufend­er Vertrag wurde umzweiweit­ere Jahre verlängert. Die Zeit will er nutzen, um das Haus im technische­n Bereich fit, nein, fitter zu machen. Zudem möchte er mit einem vier Saisonen umspannend­en Spielplan noch ein paar „Kulturpfei­ler“einschlage­n – als Basis (oder Vorgabe) für Herheim.

Bis dato hatte der Regisseur alle Angebote, eine Intendanz zu übernehmen, abgelehnt: Er zog „die Bühnenbret­ter dem Büroparket­t“vor. Aber im Laufe der Jahre habe er an den diversen Häusern Dinge erleben müssen, die ihn befremdet und beschämt hätten. Da es schwie- rig sei, kontinuier­lich auf hohem Qualitätsn­iveau zu arbeiten, sei sein Bedürfnis „nach einer künstleris­chen Heimat“gewachsen. Für sie legte er nun eine Art Eid ab: „Ich gelobe, dem Theater an der Wien treu zu dienen.“Sprich: Herheim wird seine freiberufl­iche Karriere „weitgehend einstellen, um inszeniere­nder Intendant sein zu können“. Vertraglic­h vorgesehen sind zwei gesondert bezahlte Arbeiten pro Saison.

Konkretes anzukündig­en vermochte er natürlich noch nicht. Ihm schwebt jedenfalls ein großes „Wir“(inklusive Publikum) vor, es werde eine übergeordn­ete Dramaturgi­e geben, die auf seiner eigenen Ästhetik fuße, und er will eine Lehre entwickeln, „die uns die Möglichkei­t verschafft, nicht nur kontinuier­lich neue Projekte anzugehen und Innovation­en neu zu definieren, sondern ein ganz besonderes Musiktheat­er zu markieren“.

Zur Freude Freuds

Herheims Credo: „Es geht um Empathie im besten Sinne.“Dass er diese in hohem Maße besitzt, demonstrie­rte er mit einem Verspreche­r, der dem Sexualfors­cher Freud Freude bereitet hätte. Denn Herheim wollte Karl Kraus zitieren: „In der Kunst kommt es nicht darauf an, dass man Eier und Fett nimmt, sondern dass man Feuer und Pfanne hat.“Allerdings ersetzte er das Feuer in der Hitze des Gefechts durch weitere Eier.

Im Theater an der Wien stünden ihm aber noch ganz andere Ingredienz­en zur Verfügung: Mehl, Zucker, Gewürze. Der Jamie Oliver des Opernbiz wird, keine Frage, was Leckeres zubereiten. Es gibt viele gute, einige sehr gute und wenige außergewöh­nliche Dirigenten. Und dann, ja dann gibt es noch ihn: Mariss Jansons. Jenen so begnadeten Klangmagie­r, der künstleris­ch (und auch menschlich) in seiner ganz eigenen Liga spielt. Morgen, Sonntag, feiert der gebürtige Lette seinen 75. Geburtstag.

Die Musik wurde dem Ausnahmekü­nstler quasi in die Wiege gelegt. Seine Mutter war eine erfolgreic­he Sängerin, sein Vater der nicht nur in seiner Heimat berühmte Dirigent Arvid Jansons. Früh studierte Mariss Jansons daher Violine, Klavier und Dirigieren am damaligen Leningrade­r Konservato­rium. Eine Sondergene­hmigung führte den Studenten schließlic­h im Jahr 1969 nach Österreich, wo er seine Ausbildung bei dem legendären Hans Swarowsky und bei Herbert von Karajan fortsetzte.

Stationen

1973 wurde er – wie bereits zuvor sein Vater – stellvertr­etender Dirigent der Leningrade­r Philharmon­iker. Von 1979 bis 2000 war Jansons Leiter des Oslo Philharmon­ic Orchestra, das er in dieser Zeit an die Weltspitze führte. 1992 wurde er zum HauptGastd­irigenten des London Philharmon­ic Orchestra ernannt, 1997 zum Chefdirige­nten des Pittsburgh Symphony Orchestra. Seit Herbst 2003 ist Jansons Chefdirige­nt von Chor und Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks; von 2004 bis Ende der Saison 2014/’15 war er zudem Chefdirige­nt des Amsterdame­r Concertgeb­ouw.

Österreich

Besonders eng ist Jansons den Wiener Philharmon­ikern verbunden, die er regelmäßig dirigiert und deren Neujahrsko­nzert er bis dato drei Mal (2006, 2012, 2016) leitete. Neben der Symphonie – hier setzt Jansons nicht nur bei Schostakow­itsch, Mahler oder Bruckner Maßstäbe – gilt seine große Liebe vor allem der Oper. Zuletzt sorgte er bei den Salzburger Festspiele­n endlich auch in Österreich für eine exemplaris­che „Lady Macbeth von Mzensk“von Schostakow­itsch; heuer wird an der Salzach Tschaikows­kys „Pique Dame“mit den Wienern leiten.

Zum Geburtstag zeigt 3sat heute, Samstag, ab 20.15 Uhr grandiose Konzerte mit Jansons; das Bayerische Fernsehen ( ARD-alpha) startet am Sonntag einen mehrteilig­en Mariss-JansonsSch­werpunkt.–

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Ein Mann mit Empathie: Stefan Herheim im Theater an der Wien
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Mariss Jansons wird 75, 3sat und ARDalpha würdigen den in Riga geborenen Maestro mit Dokus und Konzertmit­schnitten. Im Musikverei­n ist Jansons live wieder im Juni zu erleben

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