Kurier (Samstag)

4480 Meter langer Weltcup-Klassiker

Das Lauberhorn – auch Vincent Kriechmayr geht heute auf die längste Abfahrt des Saison.

- VON FLORIAN PLAVEC

Das gewaltige Bergpanora­ma von Eiger, Mönch und Jungfrau – und davor ein paar enttäuscht­e Österreich­er. Matthias Mayer wurde in der Kombinatio­n von Wengen als bester ÖSV-Athlet Achter. Schwarz, Baumann und Berthold kamen nicht in die Top Ten und Vincent Kriechmayr schied im Slalom auf dem Weg zu einer Top-Zeit aus. Mit der überragend­en Bestzeit in der Abfahrt darf er sich aber Hoffnungen machen vor der heutigen Spezialabf­ahrt (12.30/live ORFeins): „ Wenn ich das noch einmal so runterbrin­ge, wäre das schon okay.“

Premierens­ieg

Der erste Sieger des Wochenende­s im Berner Oberland heißt Victor Muffat-Jeandet. Der Franzose gewann sein erstes Rennen überhaupt. Hinter Pawel Trichitsch­ew (RUS) wurde Peter Fill Dritter. Der Südtiroler sicherte sich damit eine Kristallku- gel, da in dieser Saison nur zwei Kombinatio­nen ausgetrage­n werden.

Offensicht­lich ist die Kombi ein Auslaufmod­ell. In Wengen wird sie bis inklusive 2019 ausgetrage­n. Dann wird sie wohl aus dem Programm genommen.

Absolut kein Auslaufmod­ell ist die klassische Abfahrt – und ganz besonders jene in Wengen. Seit 1930 wird hier das Lauberhorn-Rennen ausgetrage­n, die Eckdaten sind extrem: Länge 4480 Meter, Laufzeit 2:30 Minuten.

Es ist die längste Strecke im Weltcup und jene mit den meisten Schlüssels­tellen:

Nach wenigen Sekunden kommen die Läufer zum Russisprun­g. Bernhard Russi, der dreifache Gesamtwelt­cupsieger aus der Schweiz, suchte einst im Frühling für Filmaufnah­men einen Sprung und ließ ihn mit viel Schnee aufbauen. Seitdem gehört er zur Strecke. Im Traversens­chuss beschleuni­gen die Läufer von 100 auf mehr als 130 km/h. Besonders wichtig ist in den lang gezogenen Kurven die Aerodynami­k, bevor die Läufer zum Hundschopf kommen. Zwischen Felsen und Netz springen sie ins Bodenlose, 41 Prozent steil ist der Hang, Mut und Sprungtech­nik sind entscheide­nd. Die folgende Minschkant­e ist eine Mischung aus Sprung und Kurve und bei den technisch versierten Läufern beliebt. Benannt ist die Stelle nach Josef Minsch. Der Schweizer wurde hier 1965 abgeworfen, der Sturz endete erst unten neben den Bahngleise­n mit einem Beckenbruc­h – und neun WochenSpit­alsaufenth­alt. Der Canadian Corner ist eine Rechtskurv­e mit 180 Grad. 1976 waren an dieser Stelle die „Crazy Canucks“zu verrückt, Ken Read und Dave Irwin stürzten.

Mit etwa 100 km/h geht es durch den Alpweg auf das Kernen-S zu. In der engen Rechts-links-Kurve kann man das Rennen kaum gewinnen, aber sehr wohl verlieren. Wie etwa Bruno Kernen (SUI), der 1997 rückwärts ins Netz stürzte.

Die Wasserstat­ion ist die verrücktes­te Stelle im Weltcup. Mit 90 bis 100 km/h geht es durch die schmale Unterführu­ng unter der Bahn durch. Danach hat der Fahrer in Langentrej­en erstmals Zeit, ein bisschen nachzudenk­en – etwa darüber, ob der Serviceman­n den richtigen Ski für das Flachstück ausgesucht hat. In den langen Kurven melden sich die Oberschenk­el. Der Hanneggsch­uss ist steil, lang und dunkel. Die Skier fangen an zu schwimmen, finden nur noch alle paar Meter den Kontakt zum Schnee. Hier wurde Johan Clarey (FRA) 2013 mit 161,9 km/h gemessen – Weltrekord für eine Abfahrt.

Im Seilersbod­en, einer f lachen Linkskurve, bereiten sich die Fahrer auf den Silberhorn­sprung vor. In einer leichten Rechtskurv­e wirken die Fliehkräft­e im Sprung. Im Österreich­erloch wurden1954 die Favoriten Toni Sailer, Anderl Molterer und Walter Schuster von heimtückis­chen Wellen abgeworfen. Heute gibt es die Buckel nicht mehr, der Name ist geblieben.

Nach etwas mehr als zwei Minuten, wenn alle anderen Rennen schon zu Ende sind, wartet in Wengen noch das Ziel-S. Die Fahrer sind müde, haben kaum Zeit, sich auf die Links-rechtsKomb­ination vorzuberei­ten. In der Schlüssels­telle kann man sehr viel Zeit verlieren, aber kaum gewinnen.

Wer das Ziel-S gut meistert, wird im Zielsprung kaum Probleme haben. Alle anderen versuchen, sich vom Netz fernzuhalt­en. Sicher im Ziel sind die Fahrer erst, wenn sie stehen. Bode Miller verließen 2007 die Kräfte. Er stürzte ins Ziel – und wurde als Sieger gefeiert.

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