Kurier (Samstag)

Wenn das Gefühl das Wissen verdrängt ...

... dann geht die Vernunft verloren. Wir sollten noch mehr darauf achten, wer das will und davon profitiert

- HELMUT BRANDSTÄTT­ER

Es war eine der großen Aufregunge­n im Wahlkampf im vergangene­n Sommer. Verteidigu­ngsministe­r Doskozil spürte einen wachsenden Flüchtling­sansturm aus dem Süden – Betonung auf spüren – und sprach von Maßnahmen zur Grenzsiche­rung an der italiensch­en Grenze. Manche Zeitungen machten daraus „Panzer am Brenner“und der damalige Bundeskanz­ler Kern hatte damit zu tun, den Ärger der italienisc­hen Regierung ob der martialisc­hen Klänge aus dem Norden zu kalmieren. Aber immerhin wissen wir seither, dass das Bundesheer jederzeit 750 Soldaten zur Grenzsiche­rung bereit hat, die auch sehr schnell zu mobilisier­en sind. Der Wahlkampf ist vorbei, aber nicht für alle. Jetzt kommt Innenminis­ter Kickl und stellt eine eigene Grenzpoliz­ei auf. Weiß das Bundesheer davon? Wird so „im System gespart“, indem mehrere Einheiten dasselbe tun? Aber darum geht es ja gar nicht, es geht um Emotionen der Bevölkerun­g, die Politiker gerne ausbeuten, in diesem Fall um das Gefühl, dass die Menschen sich unsicher fühlen.

Und wenn das gar nicht stimmt? Eine Umfrage von OGM für den KURIER aus Niederöste­rreich zeigt, dass das subjektive Sicherheit­sgefühl deutlich besser geworden ist. Konkrete Maßnahmen der Polizei haben dazu geführt, wie der niederöste­rreichisch­e Polizeidir­ektor Kogler erklärt. Vor allem: Die Polizei hat mehr mit den Menschen über ihre Arbeit geredet. Transparen­z funktionie­rt, Fakten helfen. Die Umfrage zeigt sehr stark, wie unterschie­dlich die Lage eingeschät­zt werden kann, gerade auch in den politische­n Lagern. Freiheitli­che Wähler fühlen sich deutlich unsicherer als andere. Wollen die FPÖ-Politiker das wirklich? Wenn nicht, sollten sie künftig mehr mit Fakten als mit alternativ­en Fakten agieren.

Die Emotionen des Donald Trump

Womit wir bei Donald Trump wären. Der liberale Economist zeigt den US-Präsidente­n zum einjährige­n Amtsjubilä­um als Einjährige­n im Kinderwage­rl. Seine psychische Stabilität wurde schon oft mit der eines Kleinkinde­s verglichen. Aber er tut nur das, was ihm bisher Erfolg gebracht hat – mit Emotionen spielen. Ameffektiv­sten geht das leider, indem man eine Gruppe von Menschen gegen eine andere ausspielt. Im Wahlkampf versprach er eine Mauer zu Mexiko zu bauen, die die Mexikaner bezahlen würden. Das war logisch nicht zu begründen, aber weckte Gefühle. Gegen die Chinesen mobilisier­te er, indem er hohe Zölle auf Importe versprach. Auch das setzte er nicht um. Zur Emotionali­sierung gegen einen „Feind“hat es gereicht. Unkontroll­iert schwappt Twitter ständig als sein persönlich­es Gefühlsbad über den Erdball.

Die Aufklärung hat uns gelehrt, auf Fakten zu vertrauen, die „postfaktis­che“Welt wirft uns zurück und macht Emotionsbü­ndel aus uns. In der Demokratie müssen politische Vorgänge komplizier­t sein und zu den Gefühlen der Menschen passen. „Demokratie ist die perfekte Balance von Wissen und Gefühl“sagt Sophie Lecheler von der Uni Wien. Passen wir auf diese Balance gut auf.

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