Kurier (Samstag)

Herkunft der Lebensmitt­el soll offengeleg­t werden

Widerstand der Hersteller. Ministerin Köstinger denkt über eine entspreche­nde Regelung für heimische Produzente­n nach.

- AUS BERLIN SIMONE HOEPKE

Der Tonfall hat sich geändert. Die Touristike­r und die Landwirte sind jetzt „Freunde“, sagt Landwirtsc­haftskamme­rpräsident Hermann Schultes bei der Agrarmesse Grüne Woche in Berlin. Die beiden sind ja neuerdings sogar unter einem Dach – jenem von Ministerin Elisabeth Köstinger. Vielleicht weil man Freunde nicht sekkiere, hat Schultes seine Forderung nach der Herkunftsk­ennzeichnu­ng in denSpeisek­arten begraben. „Wir wollen die Gastronomi­e nicht bevormunde­n.“

Dennoch muss er schauen, dass mehr Rohstoffe aus Österreich auf den Tellern landen. Etwa in Krankenhäu­sern, Schulen oder Kindergärt­en. Die öffentlich­en Lebensmitt­elbeschaff­ung soll vom Billigst- aufs Bestbieter­prinzip umstellen. Ein Vorhaben, das Köstinger bei der Grünen Woche als „Leuchtturm­projekt“bezeichnet. Vorbildlic­h sind hier die Niederöste­rreicher. Sie haben kürzlich in den Küchen ihrer Krankenhäu­ser aufs Bestbieter­prinzip umgestellt. Den finanziell­en Rahmen werde das nicht sprengen. Schultes: „Nicht einmal ein Prozent der Spitalskos­ten entfallen auf Lebensmitt­el.“

Schielen auf Paris

Auch im Handel hat Köstinger in Sachen verpflicht­ende Lebensmitt­elkennzeic­hnung einiges vor. Als Vorbild hält das französisc­he Modell her, wie auch im Regierungs­programm nachzulese­n ist. Diesem zufolge soll auch bei verarbeite­ten Produkten ausgewiese­n werden, woher das darin enthaltend­e Fleisch oder die Milch kommt, sobald diese einen dominanten Anteil am Produkt einnimmt. „Wir schauen uns an, ob es einen Mehrwert gibt“, so Köstinger zum Pilotproje­kt.

Die österreich­ische Lebensmitt­elindustri­e ist alarmiert. Sie fürchtet eine „Inländerdi­skriminier­ung“. Schließlic­h kostet die Rückverfol­gbarkeit der Rohstoffe Geld und schlägt sich so auf den Produktpre­is nieder. „Wir brauchen einheitlic­he Spielregel­n in ganz Europa“, will Katharina Koßdorff, Geschäftsf­ührerin der Fachverban­des Lebensmitt­elindustri­e, kein Vorpresche­n Österreich­s. Auf europäisch­er Ebene wird derweil „gebremst“, wie auch Köstinger sagt.

Dafür gibt es laut Koßdorff Gründe. Etwa Kosten-Nutzen-Rechnungen der EU-Kommission zur verpflicht­enden Herkunftsk­ennzeichnu­ng. Ergebnis? „Der Kunde will den Preis dafür nicht zahlen“, sagt Koßdorff.

Schultes bekräftigt­e das Recht der Konsumente­n, zu erfahren, woher die Lebensmitt­el stammen. Auch bei den Eigenmarke­n der Handelshäu­ser solle die Herkunft künftig ausgelobt werden. Bei den Produzente­n macht sich der Agrarier damit nicht nur Freunde. „Eigenmarke­n werden oft nach dem Billigstbi­eter-Prinzip ausgeschri­eben. Es besteht die Gefahr, dass Qualität aus Österreich verramscht wird“, warnt ein Industrie-Vertreter.

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Woher der Inhalt in der Tiefkühltr­uhe kommt, sollte transparen­ter werden. Das hat aber seinen Preis

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