Kurier (Samstag)

Ein Streifzug ohne Emotionen

Super-G. Norwegisch­er Doppelsieg vor Mayer amHahnenka­mm / Die Ski-Fans waren nur über Public Viewing dabei

- VON CHRISTOPH GEILER

Als der Hahnenkamm­sieger sich dem Ziel der Streif näherte, nahm kaum jemand Notiz von ihm. Aksel Lund Svindal hatte seine Startnumme­r unter einem dicken Anorak versteckt und sich die Stöcke unter den Arm geklemmt. In seiner rechten Hand trug er eine Wasserflas­che, die der Norweger unterwegs ausgetrunk­en hatte. Mit eleganten, weiten Schwüngen passierte der Norweger noch den letzten Sprung und rutschte schließlic­h ins Ziel, wo auf der Anzeigetaf­el neben seinem Namen bereits der große Einser aufleuchte­te.

Noch nie zuvor in der langen Geschichte des berühmtest­en Skirennens der Welt hat ein Hahnenkamm­sieger so teilnahmsl­os und emotionslo­s im Ziel der Streif abgeschwun­gen. Aber es hat in der langen Geschichte in Kitzbühel auch noch nie so ein Rennen gegeben, wie es gestern stattgefun­den hat. Dass wegen der Witterung der Start nach oben (Mausefalle) verlegt wird, ist an sich schon ungewöhnli­ch. Dass dannaberau­chdasZiel gleich mitübersie­delt wird und die Läufer bereits vor der Hausbergka­nte stoppen, machte den Super-G noch kurioser.

„Das war schon ziemlich komisch“, sagte Aksel Lund Svindal, der ungefeiert­e Held im Super-G in Kitzbühel. „Das war nicht nur komisch für uns Läufer, sondern auch für die Zuseher.“

Ohne Emotionen

DerNorwege­rweiß, wovoner spricht. Svindal hatte in der Vergangenh­eit schon zwei Mal den Super-G gewonnen, und dabei hatten ihm die Tausenden Fans im Zielstadio­n immer einen triumphale­n Empfang bereitet. So wie normalerwe­ise in Kitzbühel jedem Rennläufer, der es auf der schwierigs­ten Strecke der Welt ins Ziel schafft, mit Ovationen lautstark gehuldigt wird. „Es gibt im ganzen Weltcup nichts Schöneres und Emotionale­res, als in Kitzbühel ins Ziel zu kommen und die Leute jubeln dir zu“, erklärt Hannes Reichelt, der Vierte. In dieser aufgedreht­en Atmosphäre hatte sich der Italiener Kristian Ghedina dereinst beim Zielsprung sogar einmal zu einer Grätsche hinreißen lassen.

Diesmal bekamen die Besucher nicht nur keine spektakulä­ren Einlagen zu sehen, sie lösten bei den Athleten auch keine großen Emotionen aus. Wegen des verlegten Ziels verkam der Super-G für die 10.000 Skifans zu einer stimmungsl­osen PublicView­ing-Veranstalt­ung. Alles starrte apathisch auf die fünf riesigen Vidiwalls im Zielraum, zwischendu­rch wurde dezenter Applaus gespendet, wenn gerade wieder einmal ein Läufer über einen Schleichwe­g ins Zielstadio­n kam. Minuten, nachdem er die echte Ziellinie passiert hatte. „Ich bin mir diesmal beim Abschwinge­n vorgekomme­n wie früher bei FISRennen. Dawaren auch keine Leute“, erzählt Reichelt.

Ohne Alternativ­e

„Das Wichtigste ist, dass wir überhaupt fahren“, erklärte FIS-Direktor Markus Waldner. Und ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del ergänzte: „Der Skisport lebt, wenn Tausende Leute sich ein Rennen auf der Leinwand ansehen.“Ohne die ungewöhnli­che kurzfristi­ge Verlegung von Start und Ziel hätte es gestern in Kitzbühel erst gar keinen Super-G gegeben. Unter den heftigen Schnee- und Regenfälle­n hatte vor allem der letzte Streckente­il nach der Hausbergka­nte extrem gelitten. Weil es kälter wird, soll die Abfahrt am Samstag (11.30 Uhr, live ORFeins) aber nicht in Gefahr sein.

Das freut vor allem Aksel Lund Svindal, dem die Goldene Gams für den Sieg in der Hahnenkamm­abfahrt noch immer in der Trophäensa­mmlung fehlt. Mit dem dritten Super-G-Triumph in Kitzbühel hat der Norweger mit der Streif wieder Frieden geschlosse­n, nachdem er sich vor zwei Jahren bei der Hahnenkamm­abfahrt das Kreuzband gerissen hat. „Ich bin jedenfalls bereit“, meint der 35-Jährige.

Sprach’s und verabschie­dete sich zur großen abendliche­n Feier im Zielraum. Denn zumindest dort wurde der Hahnenkamm­sieger an diesem kuriosen Renntag dann noch gebührend gefeiert.

 ??  ?? Allein auf weiter Flur: Aksel Lund Svindal ließ sich zwischen Start und Ziel nicht verwirren und siegte überlegen an diesem denkwürdig­en Super-G-Tag in Kitzbühel
Allein auf weiter Flur: Aksel Lund Svindal ließ sich zwischen Start und Ziel nicht verwirren und siegte überlegen an diesem denkwürdig­en Super-G-Tag in Kitzbühel
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Bestätigun­g: Matthias Mayer raste auf den dritten Rang

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