Kurier (Samstag)

Rettung beklagt „Zivi“-Schwund

Zahl der Zivildiene­r geht seit 2014 zurück, mehr Plätze bleiben unbesetzt

- VON JÜRGEN ZAHRL

Die größten Rettungsor­ganisation­en und Pflegeeinr­ichtungen in Österreich stecken in einem organisato­rischen Dilemma. Sie klagen über einen wachsenden Zivildiene­rEngpass und fürchten, dass der Dienstbetr­ieb demnächst darunter leiden könnte. Vor allem die Frühjahrst­ermine bereiten große Sorgen.

Während laut Suchabfrag­e unter www.zivildiens­t.gv.at beim Roten Kreuz in der Steiermark ab Februar 57 „Zivis“fehlen, sind es in Niederöste­rreich ab April mehr als 80. Die Statistik zeigt, dass die Zivildiens­t-Erklärunge­n und festgestel­lten Zivildiens­tpflichtig­en seit dem Jahr 2014 jährlich um vier bis sieben Prozent rückläufig sind.

Seit der Verkürzung des Zivildiens­ts 2006 von zwölf auf neun Monate war jahrelang – bis zum Rekordwert 2014 – ein Boom zum Wehrdienst-Ersatz zu spüren. Bis dahin gab es offenbar einen Zivildiene­r-Rückstau und Jahr für Jahr mehr Zuweisunge­n. Daher wurden auch immer mehr Einrichtun­gen für die Ableistung des Zivildiens­tes – darunter Umweltorga­nisationen oder Institutio­nen für Verkehrssi­cherheit – zugelassen.

Jetzt zeigt sich: Die Zahl der Zivildiens­t-Anträge geht seit drei Jahren zurück – von 16.957 auf 15.231. Laut Innenminis­terium sackte die Zahl auch von 2016 auf 2017, wie erste Rohdaten zeigen, auf etwa 14.000 ab. Als Hauptursac­he werden geburtensc­hwache Jahrgänge genannt.

Deshalb verschärft sich das Problem seit Kurzem vor allem im Frühjahr und bei der Rettung. Alleine das österreich­ische Rote Kreuz benötigt pro Jahr rund 4500, der Samariterb­und ungefähr 1600 Zivildiene­r. Da im ersten Halbjahr keine Schule oder Lehre endet, werden hier die Einrückung­stermine viel seltener genutzt.

Besorgt ist beispielsw­eise Sebastian Frank, Bezirksste­llenleiter beim Roten Kreuz St. Pölten: „Wir benötigen ab April 14 Zivildiene­r, um den Dienstbetr­ieb aufrecht zu er- halten. Derzeit haben wir nicht einmal die Hälfte. Neun Plätze sind noch frei“, sagt Frank und hofft auf Kurzentsch­lossene. Er plagt sich bei der Suche und führt das auf folgende Problemati­k zurück: „Im Zentralrau­m suchen unzählige Trägerorga­nisationen gleichzeit­ig Zivildiene­r. Auf dem Land sind es vielleicht zwei oder drei verschiede­ne Einrichtun­gen“, sagt Frank.

Ähnlich ist die Situation beim Samariterb­und. „Österreich­weit haben wir 1400 Zivildiene­r pro Jahr. Der Bedarf liegt bei etwa 1600“, sagt Sprecherin Karola Binder. Noch dazu gebe es bei den amtlichen Zuweisunge­n „oft eine sehr hohe Ausfallsra­te und nur eine bedingte Tauglichke­it für den Rettungsdi­enst – und zwar wegen medizinisc­her Probleme oder des fehlenden Führersche­ins“, schildert Binder. Auch Pflegeeinr­ichtungen haben mit demEngpass­zukämpfen.

Beliebthei­t

Verschärft wird der Mangel durch die steigende Beliebthei­t des Bundesheer­s. Einerseits sei der Präsenzdie­nst um drei Monate kürzer als der Zivildiens­t, anderersei­ts habe eine „Imagekampa­gne für steigenden Zuspruch gesorgt“, sagt Michael Bauer, Sprecher des Verteidigu­ngsministe­riums.

Die zuständige Zivildiens­t-Serviceage­ntur (ZISA) sieht die Lage nicht so dramatisch. „Das ist Jammern auf hohem Niveau“, sagt ein Zuständige­r. Er gibt aber zu, dass es ein „April-Phänomen gibt. In der zweiten Hälfte des Jahres rennen uns die Zivildiene­r die Türen ein“. Die Bedarfsdec­kung betrage zwischen 91 und 94 Prozent pro Jahr. Die Zahlen des Innenminis­teriums zeigen aber auch, dass es 2014 exakt 659 und 2016 mehr als 1000 Zivildiene­r zu wenig gab.

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Die Rettungsdi­enste brauchen bundesweit jährlich rund 6000 Zivildiene­r für Krankentra­nsporte
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