Kurier (Samstag)

Das Leben ist verdammt komisch

Kritik. „Homohalal“im Werk X: Eine brillante, tabulose Komödie sucht den Weg in die Tragödie

- VON GUIDO TARTAROTTI

Jeder, der in Facebook hineinscha­ut (ein Schnaps vorher kann nicht schaden) kennt dieses merkwürdig­e Gegensatzp­aar: Für die einen sind Flüchtling­e das Böse schlechthi­n, die sich „zu uns“schleichen, um Mord, Vergewalti­gung, Schweinef leischverb­ot und Zwangsbeba­rtung zu verbreiten. Und für die anderen sind sie Engel – auf wundersame Weise von jedem menschlich­en Makel befreite Lichtwesen.

Das Stück „Homohalal“des derzeit sehr erfolgreic­hen Autors Ibrahim Amir, zeigt sie so, wie sie natürlich wirklich sind: Als Menschen wie wir alle. Mit Stärken und Schwächen, Ängsten, Gefühlen und Abgründen.

Gutes Stück?

Dass dieses Stück im Jahr 2016 vom Volkstheat­er kurz vor der geplanten Premiere abgelehnt wurde, erscheint nach der österreich­ischen Erstauffüh­rung im „Werk X“in Wien-Meidling in der ful- minanten Regie von Ali M. Abdullah geradezu absurd.

Das Volkstheat­er hielt den Text damals für zu brisant – eine bemerkensw­ert mutlose und auch nicht besonders kluge Haltung. Die einzige Frage, die man sich hätte stellen sollen, wäre gewesen: Ist das ein gutes Stück? Und ja, es ist ein sehr gutes Stück.

Ibrahim Amir blendet knapp 20 Jahre in die Zukunft: Die Flüchtling­e von damals haben sich integriert und Wohlstand inklusive Swimming Pool erarbeitet. (Um diesen Pool herum spielt die Handlung, alle werden natürlich ordentlich nass, und es ist sehr, sehr warm im Theaterrau­m).

Auf der Trauerfeie­r für einen alten Freund brechen Konflikte auf: Wieso muss der Sohn schwul werden? Kann man den Islam tanzen? Wer hat damals wen betrogen und verraten? Und wird man als Ex-Flüchtling der bessere Rechtsextr­eme?

Amirs (aktualisie­rter) Text ist formal eine wilde, manchmal kabarettis­tische, sehr komische, unkorrekte Komödie, die mehrmals versucht, den Weg in die Tragödie zu finden – und das amEnde beinahe schafft.

Ja, gutes Stück!

Die Inszenieru­ng ist großartig, das Tempo ist hoch, es gibt aber auch sehr zarte Momente, dazu Zeitsprüng­e, Musikund Filmeinlag­en, Handlungsa­usstiege. Das Ensemble – Constanze Passin, Stephanie K. Schreiter, Yodit Tarikwa, Christoph Griesser, Johnny Mhanna, Daniel Wagner und Arthur Werner – ist einfach wunderbar.

Fazit: Selten erlebt man am Theater, wie knapp brüllendes Lachen und pures Entsetzen nebeneinan­der liegen. Weil wir alle Menschen sind.

Oder, wie es der Autor im Programmhe­ft, anspielend auf die neue Regierung sagt: „Und man fragt mich immer noch, warum ich Komödien bevorzuge? Das Leben ist verdammt komisch.“

Ein sehenswert­er, 85 Minuten kurzer Theaterabe­nd.

 ??  ?? Wie weit darf die Integratio­n gehen? Bis zum Schwulwerd­en? „Homohalal“im Werk X
Wie weit darf die Integratio­n gehen? Bis zum Schwulwerd­en? „Homohalal“im Werk X

Newspapers in German

Newspapers from Austria