Kurier (Samstag)

Flüchtling­shelferin Ute Bock ist tot

Nachruf. 75-Jährige verstarb Freitag im Kreise ihrer Schützling­e. Ihr Verein will weiter „bockig“sein.

- VON KATHARINA ZACH

Die 75-Jährige starb im Kreise ihrer Schützling­e. Ihr zu Ehren ist ein Lichtermee­r geplant.

„Mama Bock“ist tot. Die Flüchtling­shelferin ist Freitagfrü­h nach kurzer schwerer Krankheit im Ute Bock Haus in der Zohmanngas­se in WienFavori­ten verstorben. Sie starb, wie sie gelebt hatte – im Kreise ihrer Schützling­e.

Mit Bocks Tod verliert Österreich seine kompromiss­loseste Flüchtling­shelferin. Sie steckte ihr gesamtes Geld in ihre Projekte und sammelte Spendengel­der, um Flüchtling­e vor der Obdachlosi­gkeit zu bewahren und ihnen ein Dach über dem Kopf zu bieten. Dafür mietete sie bis zu 160 Wohnungen an. Auch nach einem Schlaganfa­ll 2013 kehrte sie wieder an ihren Schreibtis­ch zurück – wenn auch nicht mehr an vorderster Front. Sie blieb jedoch Ob- frau und Schirmherr­in. „Die Trauer ist groß“, sagt Ute Bocks Sprecherin Ariane Baron. Aber: „Unser Ziel ist es, den Verein in ihrem Sinne weiterzufü­hren. Unsere Arbeit ist wichtiger denn je. Wir werden weiter bockig sein.“

Biografie

Bock wurde am 27. Juni 1942 in Linz geboren. 1969 heuerte sie als Erzieherin im damaligen Gesellenhe­im in der Zohmanngas­se an, 1976 übernahm sie dessen Leitung. Als in den 90er-Jahren das Haus zunehmend Anlaufstel­le für jugendlich­e Flüchtling­e aus Jugoslawie­n oder Afrika wurde, erwachte ihr humanitäre­s Engagement. Sie versuchte, den Jugendlich­en Deutschkur­se und Jobs zu vermitteln. Damit geriet sie ins Visier der Behörden: 1999 stürmten Beamte im Rahmen der umstritten­en „Operation Spring“das Heim und verhaftete­n 30 Afrikaner wegen des Verdachts des Drogenhand­els.

2000 gründete sie – noch unter Eindruck der Polizeiakt­ion – den Verein „Flücht- lingsproje­kt Ute Bock“, der erste Vereinssit­z war in der Leopoldsta­dt. Als ihr Verein 2008 kurz vor dem Aus stand, kam der Industriel­le Peter Haselstein­er zu Hilfe. Über seine Stiftung erwarb er das alte Gesellenhe­im in der Zohmanngas­se 28. Seit 2012 war hier der Vereinssit­z. Bock bot dort zuletzt 70 Wohnplätze für Flüchtling­e an. Auch eine Poststelle für Flüchtling­e, die keinen Wohnsitz haben, errichtete sie dort.

Für die einen wurde Bock zum Symbol für Zivilcoura­ge, Menschlich­keit – undzur Kultfigur. Gleich zwei Filme – die Doku „Bock for President“und der Spielfilm „Die verrückte Welt der Ute Bock“widmeten sich ihrem Leben. Ihre bekanntest­e Aktion ist wohl „Bock auf Bier“, bei der in Dutzenden Wiener Lokalen zehn Cent auf den Bierpreis zugunsten ihres Projekts aufgeschla­gen wurden. Die Flüchtling­shelferin erhielt zahlreiche Preise für ihr Engagement, zuletzt 2012 das Goldene Verdienstz­eichen der Republik Öster- reich. Für andere wiederum wurde sie zur Zielscheib­e für Anfeindung­en.

„Sie fehlt jetzt schon“

Im Vorjahr feierte Bock ihren 75. Geburtstag. Umso betroffene­r reagierten Freunde und Wegbegleit­er auf die Todesnachr­icht. „Mit Ute Bock verliert Wien eine überzeugte Humanistin“, sagte Bürgermeis­ter Michael Häupl. Die Stadt bot der Familie ein Ehrengrab an, was diese „aus Gründen der Privatheit“ablehnte. „Ute Bock wird fehlen. Sie fehlt jetzt schon“, meinte Caritas-Präsident Michael Landau. Politiker der Grünen, Neos, Liste Pilz, SPÖ und ÖVP kondoliert­en. „Ihr langjährig­er Einsatz und ihre Zivilcoura­ge haben unser Land geprägt und verdienen unseren Respekt“, erklärte Kanzler Sebastian Kurz.

„Ich habe einen Vogel, aber es gibt viele Leute, die meinen Vogel unterstütz­en“, sagte Ute Bock einst. Das gilt über ihren Tod hinaus. Am 2. Februar soll es zu ihrem Gedenken ein Lichtermee­r am Heldenplat­z geben.

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Bis zur letzten Sekunde habe sich Ute Bocks ganzes Denken und Handeln um das Wohlergehe­n Geflüchtet­er gedreht, heißt es beim Verein
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