Flüchtlingshelferin Ute Bock ist tot
Nachruf. 75-Jährige verstarb Freitag im Kreise ihrer Schützlinge. Ihr Verein will weiter „bockig“sein.
Die 75-Jährige starb im Kreise ihrer Schützlinge. Ihr zu Ehren ist ein Lichtermeer geplant.
„Mama Bock“ist tot. Die Flüchtlingshelferin ist Freitagfrüh nach kurzer schwerer Krankheit im Ute Bock Haus in der Zohmanngasse in WienFavoriten verstorben. Sie starb, wie sie gelebt hatte – im Kreise ihrer Schützlinge.
Mit Bocks Tod verliert Österreich seine kompromissloseste Flüchtlingshelferin. Sie steckte ihr gesamtes Geld in ihre Projekte und sammelte Spendengelder, um Flüchtlinge vor der Obdachlosigkeit zu bewahren und ihnen ein Dach über dem Kopf zu bieten. Dafür mietete sie bis zu 160 Wohnungen an. Auch nach einem Schlaganfall 2013 kehrte sie wieder an ihren Schreibtisch zurück – wenn auch nicht mehr an vorderster Front. Sie blieb jedoch Ob- frau und Schirmherrin. „Die Trauer ist groß“, sagt Ute Bocks Sprecherin Ariane Baron. Aber: „Unser Ziel ist es, den Verein in ihrem Sinne weiterzuführen. Unsere Arbeit ist wichtiger denn je. Wir werden weiter bockig sein.“
Biografie
Bock wurde am 27. Juni 1942 in Linz geboren. 1969 heuerte sie als Erzieherin im damaligen Gesellenheim in der Zohmanngasse an, 1976 übernahm sie dessen Leitung. Als in den 90er-Jahren das Haus zunehmend Anlaufstelle für jugendliche Flüchtlinge aus Jugoslawien oder Afrika wurde, erwachte ihr humanitäres Engagement. Sie versuchte, den Jugendlichen Deutschkurse und Jobs zu vermitteln. Damit geriet sie ins Visier der Behörden: 1999 stürmten Beamte im Rahmen der umstrittenen „Operation Spring“das Heim und verhafteten 30 Afrikaner wegen des Verdachts des Drogenhandels.
2000 gründete sie – noch unter Eindruck der Polizeiaktion – den Verein „Flücht- lingsprojekt Ute Bock“, der erste Vereinssitz war in der Leopoldstadt. Als ihr Verein 2008 kurz vor dem Aus stand, kam der Industrielle Peter Haselsteiner zu Hilfe. Über seine Stiftung erwarb er das alte Gesellenheim in der Zohmanngasse 28. Seit 2012 war hier der Vereinssitz. Bock bot dort zuletzt 70 Wohnplätze für Flüchtlinge an. Auch eine Poststelle für Flüchtlinge, die keinen Wohnsitz haben, errichtete sie dort.
Für die einen wurde Bock zum Symbol für Zivilcourage, Menschlichkeit – undzur Kultfigur. Gleich zwei Filme – die Doku „Bock for President“und der Spielfilm „Die verrückte Welt der Ute Bock“widmeten sich ihrem Leben. Ihre bekannteste Aktion ist wohl „Bock auf Bier“, bei der in Dutzenden Wiener Lokalen zehn Cent auf den Bierpreis zugunsten ihres Projekts aufgeschlagen wurden. Die Flüchtlingshelferin erhielt zahlreiche Preise für ihr Engagement, zuletzt 2012 das Goldene Verdienstzeichen der Republik Öster- reich. Für andere wiederum wurde sie zur Zielscheibe für Anfeindungen.
„Sie fehlt jetzt schon“
Im Vorjahr feierte Bock ihren 75. Geburtstag. Umso betroffener reagierten Freunde und Wegbegleiter auf die Todesnachricht. „Mit Ute Bock verliert Wien eine überzeugte Humanistin“, sagte Bürgermeister Michael Häupl. Die Stadt bot der Familie ein Ehrengrab an, was diese „aus Gründen der Privatheit“ablehnte. „Ute Bock wird fehlen. Sie fehlt jetzt schon“, meinte Caritas-Präsident Michael Landau. Politiker der Grünen, Neos, Liste Pilz, SPÖ und ÖVP kondolierten. „Ihr langjähriger Einsatz und ihre Zivilcourage haben unser Land geprägt und verdienen unseren Respekt“, erklärte Kanzler Sebastian Kurz.
„Ich habe einen Vogel, aber es gibt viele Leute, die meinen Vogel unterstützen“, sagte Ute Bock einst. Das gilt über ihren Tod hinaus. Am 2. Februar soll es zu ihrem Gedenken ein Lichtermeer am Heldenplatz geben.