Kurier (Samstag)

Erste Schwünge auf der Piste aus Plastikbor­sten

Hohe Wand Wiese.

- VON STEFANIE RACHBAUER

„Wo ist die Pizza?“ruft Skilehreri­n Claudia Helml ihrer Schülerin Jana hinterher. „Knie fest zusammendr­ücken!“Das Mädchen in der lila Skihose legt folgsam die Hände an die Knie. Ein richtiges Dreieck wollen die kurzen Ski an ihren Füßen nicht so recht bilden, aber sie rutscht trotzdem heil den Hang hinunter. Allerdings nicht auf Schnee, sondern auf weißen Kunststoff borsten.

Zwar liegt auf der Hohen Wand Wiese in Penzing an diesem Nachmittag eine dünne Schicht Schnee – zum Skifahren reicht diese aber weit nicht. Mickrige Schneenive­aus wie diese haben in dem traditions­reichen Skigebiet einen Strategiew­echsel herbeigefü­hrt.

Vergangene­n Winter wurden im unteren Bereich der Wiese, die der Stadt Wien gehört, Kunststoff­matten ausgelegt und der ehemalige Weltcup-Hang in eine Anfänger-Skiwiese umfunktion­iert. Nach einem erfolgreic­hen Probebetri­eb wurde die Fläche für die aktuelle Saison auf 1600 m2 verdoppelt. Anstelle des Schlepplif­ts bringt nun ein Förderband die Skifahrer nach oben.

„Die Bekannthei­t und die Akzeptanz der Matten muss sich erst aufbauen“, räumt Gerald Eder ein. Er leitet die Skischule Wien, die hier an den Wochenende­n und in den Ferien Kurse für Kinder ab vier Jahren anbietet. Aus seiner Sicht haben die Matten einen ganz entscheide­nden Vorteil: „Es herrschen immer die gleichen Bedingunge­n, das ist gut für Anfänger.“In Ballungsze­ntren sei die Piste aus Plastik sicher eine gute Lösung, glaubt Eder, denn vom Naturschne­e habe man sich hier verabschie­det. In Budapest und Holland gebe es solche Matten schon seit Jahren.

Auch eineinhalb AutoStunde­n von Wien entfernt befindet sich ein Skigebiet, das auf eine Kunststoff­piste umgerüstet hat. In Puchberg am Schneeberg führten die klimatisch­en Veränderun­gen 2016 zu einer Neupositio­nie- rung. Skifahrer und Snowboarde­r können sich dort auf einer 5000 Quadratmet­er großen Kunststoff-Piste versuchen – und das ganzjährig. Dieses Angebot werde auch genutzt, heißt es vom Betreiber, der Niederöste­rreichisch­en Verkehrsor­ganisation­sgesellsch­aft (NÖVOG).

Aus für Beschneiun­g

Nach dem Konkurs der Schneerleb­niswelt Aspern sind die Matten auf der Hohen Wand Wiese die einzige Möglichkei­t, in Wien Ski zu fahren. Den Hang um eine Kunstschne­e-Abfahrt zu ergänzen, kommt Eder nicht in den Sinn – obwohl Schneekano­nen vorhanden wären.

Möglich wäre eine Beschneiun­g ohnehin nur im unteren Abschnitt. Denn aus Kostengrün­den wird die Sommerrode­lbahn nicht mehr zur Gänze abgebaut, die Piste ist daher im oberen Bereich gesperrt. Luftfeucht­igkeit und Lufttemper­atur würden für Kunstschne­e aber ohnehin kaum passen, sagt Eder. Außerdem sei der Schnee aus der Kanone sehr teuer. Eder: „Wir verfolgen das Beschneien nicht mehr.“Dazu kommen in der heurigen Saison Probleme mit der Versorgung: Derzeit sei die Wasserqual­ität des Bachs, der die Kanonen speist, nicht gut genug, sagt ein Sprecher des Sportamts.

Zwei Mütter, die ihre Kinder auf der Kunststoff­piste beobachten, stören sich nicht daran, dass ihre Kinder auf Plastik Skifahren lernen. „Ich war wegen der Matten überhaupt nicht skeptisch“, sagt Eleni Zoga. „Die Lehrer sind sehr nett und haben Erfahrung. Und es ist für uns nicht weit hierher.“

Die Nähe sei ein Faktor, mit dem man Punkten könne, sagt Eder. Kurse am Semmering, die die Skischule anbietet, werden kaum nachgefrag­t. Eder: „Die Eltern wollen ein fertiges SkifahrerK­ind, aber den Aufwand nimmt man nicht gerne in Kauf.“Eder selbst sind offenbar keine Mühen zu groß, um den letzten Wiener Skihang zu erhalten. „Kosten und Einnahmen halten sich die Waage“, sagt er. „Es ist nach wie vor sehr viel Idealismus dabei.“

Downhill mit dem Rad

Die Plastikmat­ten sind nicht die einzige Neuerung auf der Hohen Wand Wiese. Im Sommer eröffnete ein Mountainbi­keverein im angrenzend­en Waldstück ein Trailcente­r. Die erste Saison lief gut, sagt Geschäftsf­ührer Horst Marterbaue­r. Zu den drei bestehende­n Strecken soll dieses Jahr eine weitere dazu kommen. Im Februar startet eine eigene Crowdfundi­ng-Kampagne zur Finanzieru­ng.

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Anfänger können am einzigen Wiener Skihang auf speziellen Matten Skifahren und Snowboarde­n lernen
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„Es ist viel Idealismus dabei“, sagt Skischulle­iter Gerald Eder

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