Bei diesem „Faust“bleiben viele Fragen unbeantwortet
Kritik. Warum behält man eine Produktion mit einer fragmentarischen Inszenierung im Repertoire? Warum nimmt man ein Werk ins Programm, wenn man es nicht erstklassig besetzt? Diese Rätsel gibt derzeit die Wiener Staatsoper mit Charles Gounods „Faust“auf. Lösungen bietet sie keine. Bei der Premiere vor zehn Jahren musste der schwer erkrankte Regisseur Nicholas Joel seine Regie abgeben. Was bis heute geblieben ist, sind ein paar fahl beleuchtete Wände. Damals aber hatte man mit Roberto Alagna und Angela Gheorghiu Sänger, die jede Aufführung mehr als rechtfertigen würden.
Der aktuelle Faust, JeanFrançois Borras, der im italienischen Fach immer wieder überzeugt hatte, führte seinen Tenor eng, setzte zu schönen Phrasierungen an, die mehr versprachen als sie hielten. Ihm fehlte die Personenführung. Sein Faust mutierte zum phlegmatischen Schüler, der sich von Mephisto ins Verderben ziehen ließ.
Starker Mephisto
Der war der bewährte Erwin Schrott. Der formidable Gestalter glich anfängliche, fast unmerkliche Stimmschwankungen aus und überzeugte als schlimmer Teufel. Mandy Fredrich ist eine solide Marguerite mit ausgewogenen Höhen. Etwa weniger Zurückhaltung bei ihrer Ballade vom König aus Thule und ihren Solo-Arien hätte nicht geschadet. Dass die kurzfristige Einspringerin auf Sicherheit setzte, ist ihr nicht vorzuwerfen.
Markus Eiche war als Valentin in dieser Konstellation eine Luxusbesetzung. Rachel Frankel gefiel als Siebel mit wohltönenden Höhen. Die Wortdeutlichkeit und die reichen Stimmfarben des Chors der Wiener Staatsoper wiesen diesen als Stärke des Hauses aus. Dirigent Frédéric Chaslin brachte den philharmonischen Klang des Staatsopernorchesters ideal zur Entfaltung.