Der Abschied vom Dorfwirt
Zahl der traditionellen Gasthäuser hat sich in den vergangenen 30 Jahren mehr als halbiert
Bürokratie, Tabakgesetz, kaum Stammgäste: Jeder zweite Wirt sperrte in den vergangenen 30 Jahren zu.
„Leider müssen wir unser Lokal für immer schließen“: Dieser Hinweis auf der Eingangstür des Wirtshauses „Eggers“in der Unteren Landstraße in Krems hat viele Stammgäste schockiert. „Es ist sich einfach nicht mehr ausgegangen“, sagt der bisherige Inhaber Karl Leopold.
Sein Entschluss ist kein Einzelfall. Die Zahl der traditionellen Wirtshäuser hat sich bundesweit in den vergangenen Jahrzehnten mehr als halbiert. Waren es 1982 noch 16.100, so ist ihre Zahl 2017 auf 7340 geschrumpft. Davon unmittelbar betroffen ist auch die österreichische Esskultur. Vielfach haben sogenannte Ethno-Lokale (vom Türken bis zum Japaner) den heimischen Wirten bereits den Rang abgelaufen.
Als Arbeitserschwernis nennen heimische Gastwirte überbordende Bürokratie, Mitarbeitermangel, Konkurrenz von Vereinslokalen, Raucherbeschränkungen und Abwanderung am Land.
„Ein Hauptgrund ist, dass es schwer war, Personal zu finden, auf das man sich verlassen kann. Ein anderer die gesunkene Frequenz in der Kremser Fußgängerzone. Die ist gegenüber den Vorjahren deutlich zurückgegangen“, meint der ehemalige Eggers-Chef Leopold. Da helfen offenbar nicht einmal Rekord-Nächtigungszahlen in der Wachauer Urlaubsdestination Krems.
Das „Eggers“ist aber längst nicht das einzige Wirtshaus, das in der jüngeren Vergan- genheit aus der Kremser Szene verschwunden ist: Sowohl der bekannte „Meisterwirt“als auch der „Museumswirt“– Kremser Institutionen – wurden abgerissen. Sie wichen Bauprojekten.
Seit dem Vorjahr sind das Café-Restaurant „Collage“und das Lokal „Schmankerl“in der Innenstadt, beide am
Herbert Preiser Wirt im Waldviertel
Rande der Fußgängerzone gelegen, zu. Auch sie servierten bodenständige Mahlzeiten. Nun schließt auch das „Breakfast“im zentrumsnahen Einkaufszentrum Steinertor, weil das demnächst umgebaut wird.
Geschlossen hat auch das Gasthaus „Zum guten Hirten“am anderen Ende der Fußgängerzone. Hier hat sich zum Glück ein mutiger Wirt gefunden, der alle Hürden nehmen will und das Lokal in Kürze neu eröffnen wird. „Viele Kollegen machen leider zu, aber wir kämpfen weiter. Die Regierung sollte sich allerdings überlegen, ob sie die kleinen Betriebe weiter haben will oder nur FastFood-Restaurants und große Ketten“, sagt Neu-Pächter Josef Weber.
Zwar gibt es in Krems auch einige neue Restaurants, die wenigsten aber sind der traditionellen Gastronomie zuzuordnen.
Dorfwirt schließt
Ein Ablaufdatum hat hingegen das auch durch seinen Discobetrieb überregional bekannte Dorfwirtshaus in Großreinprechts im Waldviertel: „Das Sammelsurium an Hürden macht mich echt krank. Ich habe beschlossen, mein Wirtshaus ab Mai aufzugeben. Bis zur Pension – in
Josef Weber Pächter in Krems
ungefähr acht Jahren – will ich mich mit dem Organisieren von Veranstaltungen durchschlagen“, sagt der Gastronom Helmut Preiser. Den ursprünglichen Plan, das Gasthaus seinem Sohn zu übergeben, hat er verworfen. „Das kann ich ihm nicht antun“, meint Preiser.
Mitarbeiter
Aus Sicht von Thomas Hagmann, Obmann der Wirtschaftskammer Krems, spielen viele Faktoren zusammen. Grundsätzlich hätten Gastronomiebetriebe ohne Toplage immer weniger Überlebenschancen. „Der größte Faktor sind aber immer die Mitarbeiter. Es ist schwierig, ausgebildete zu bekommen. Wochenendarbeit ist eben nicht so attraktiv. Es liegt auch an den Kosten, um überhaupt aufsperren zu können. Generell sind Innenstadtlagen etwas benachteiligt, aber sie bietet dafür mehr Flair“, sagt Konditor Hagmann.
Erstmals seit Langem hat Mario Pulker, Gastronomiechef in der Wirtschaftskammer, Hoffnung auf eine Trendumkehr. „Unser Einsatz beginnt sich auszuwirken. Statt drei Zeilen stehen jetzt sechs Seiten im Regierungsprogramm“, betont er (siehe Interview links).
„Ich habe beschlossen, meinem Sohn das Gasthaus nicht zu übergeben.“ „Die Regierung sollte überlegen, ob sie weiter kleine Betriebe will oder nur Fast-Food-Ketten.“