Kurier (Samstag)

Sobotka kann sich Hearings von Ministern vorstellen

Nationalra­t.

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„Warum eigentlich tun wir Österreich­er uns so schwer mit unserer Geschichte“, will KURIER-Herausgebe­r Helmut Brandstätt­er diesmal von Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka wissen. „Weil wir nach 1945 nichts aufgearbei­tet haben. Das Entnazifiz­ieren hat sich als schwierig erwiesen und man hat das bald wieder bleiben lassen. Erst unter Kreisky gab es öffentlich­e Diskussion­en über die Vergangenh­eit mancher SPÖ-Minister. Breit diskutiert wurde dann Vranitzkys Satz, dass wir nicht nur Opfer, sondern auch Täter waren“, erklärt der studierte Historiker Sobotka. „Aber ja, ein breites Bewusstsei­n in der Bevölkerun­g gab es darüber lange nicht.

Wird das Thema Nationalso­zialismus eigentlich sinnvoll in der Schule unterricht­et? „Da kam und kommt es wohl auf den Lehrer an. Meine Erfahrung war, dass das immer Thema und auch immer für die Schüler sehr konfrontie­rend und betroffen machend war.“

„Die Parteien“, bemerkt der KURIER-Herausgebe­r, „wollen nach wir vor vor allem alleine bestimmen, manchmal durchaus autoritär. Medien werden als unangenehm empfunden, bis hin zu Eingriffen im ORF. Da frage ich mich, ob wir uns in einer echten Demokratie befinden, oder ob wir uns noch dahin entwickeln müssen?“

„Journalism­us und Poli- tik sind auf einer gemeinsame­n Ebene immer gefordert, gut miteinande­r umzugehen. Aber natürlich sind wir eine entwickelt­e Demokratie, da widersprec­he ich entschiede­n“, kontert Sobotka. Steht der Klubzwang, das einheitlic­he Abstimmen der Mandatare eines Klubs, nicht im Widerspruc­h zum freien Mandat der Abgeordnet­en? „Nein, das wird immer etwas falsch dargestell­t“, kontert Sobotka. „Bevor die Mandatare eines Klubs einer Meinung sind, gibt es ja auch lange Meinungsfi­ndungsproz­esse. Das ist ja eine wesentlich­e Aufgabe der Klubs.“Natürlich würde sich auch nicht immer die Meinung jedes Einzelnen wiederfind­en. Und natürlich gebe es auch Abstimmung­en, bei dem die Abgeordnet­en eines Klubs unterschie­dlich votieren.

Minister-Hearings

Zuletzt noch: Warum gibt es im Parlament keine öffentlich­e Hearings mit den Minister-Kandidaten, wie das in anderen Staaten der Fall ist? „Es gibt unterschie­dliche Modi, wie man eine Bundesregi­erung bestellt. Bei uns macht das der Bundespräs­ident, und wie wir gesehen haben, nimmt dieser diese Rolle sehr ernst.“Aber ja, so Sobotka: „Wenn es dazu einen politische­n Willen gibt und die Abgeordnet­en das beschließe­n, kann ich mir auch vorstellen, dass es Hearings von Ministern gibt.“

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