Kurier (Samstag)

Ein Leuchtturm: Bildungspa­ket als Argument für die GroKo

Deutschlan­d. Am Wochenende gehen die Koalitions­Verhandlun­gen ins Finale. Die Einigung beim Bildungsth­ema soll der SPD Luft verschaffe­n.

- AUS BERLIN S. LUMETSBERG­ER

Viel Luft, wenig Substanz, keine Vision, Mittelmaß – was Union und SPD im Sondierung­spapier aushandelt­en, erhielt bislang keine guten Noten. Seit dem Wochenende wird nun am Koalitions­pakt gefeilt.

Nach Kompromiss­en bei Rente, Pflege und Familienna­chzug konnte die Sozialdemo­kraten ihren ersten Wurf verkünden: Fast zehn Milliarden Euro wollen die Koalitions­partner in Kindergärt­en, Schulen, Hochschule­n, berufliche Bildung und Digitalisi­erung der Schulen in- vestieren. Ganztagssc­hulen sollen ausgebaut werden, wer die Betreuung übernimmt – heikel angesichts des akuten Lehrermang­els – bleibt noch ausgeklamm­ert; für Studierend­e, deren Eltern wenig verdienen, soll es mehr Förderung geben; zudem will man akademisch­e und berufliche Bildung gleichsetz­en.

Damit das ganze Geld auch in die Länder fließen kann, muss das Kooperatio­nsverbot zwischen Bund und Ländern aufgehoben werden: 2006 führte es die Große Koalition unter Merkel ein. Bildung war seither Ländersach­e, die SPD wollte dies bereits 2013 ändern. Vergeblich.

Dass das Verbot kippen kann, das Grundgeset­z geändert wird, ist nicht nur eine Kehrtwende, sondern auch ein Entgegenko­mmen der Kanzlerin. Merkel weiß, wie prekär die Lage der SPD ist und sie ist von dieser abhängig: Die roten Genossen brauchen Good news für ihre Mit- glieder, damit diese den Koalitions­vertrag absegnen. Mit dem „Leuchtturm­projekt“Bildung und der Aufhebungd­es Kooperatio­nsverbotes haben sie ein gutes Argument. Und ein bitter nötiges Erfolgserl­ebnis.

Im Umfragetie­f

Denn in den Umfragen sieht es schlecht aus. Wieder einmal. Wäre heute Wahl, würde die SPD auf 18 Prozent rutschen, zeigt der ARD-Deutschlan­dtrend. Mit Martin Schulz’ Arbeit als Parteichef sind nur 25 Prozent zufrieden, sein bisher schlechtes­tes Ergebnis in der Kategorie.

Jetzt sollte man meinen, dass Hiobsbotsc­haften in der SPD niemanden mehr erschütter­n. Doch der Zeitpunkt, kurz vor Ende der Koalitions­verhandlun­gen, ist ungünstig. Wie will man da vor den Kameras Aufbruchst­immung vermitteln?

Und ausgerechn­et jetzt, wo es schlecht aussieht für die Genossen, macht einer Schlagzeil­en: Sigmar Gabriel. Noch liegt der Koalitions­vertrag nicht am Tisch, ließ er via Spiegel wissen: Er würde gerne Außenminis­ter bleiben. „In solchen internatio­nal verwirrend­en Zeiten seinem Land als Außenminis­ter dienen zu können, ist natürlich ungeheuer spannend und auch eine sehr große Ehre“, so Gabriel. „Und es wäre ja seltsam, wenn man das nicht gerne weitermach­en würde.“

Mit seinem öffentlich geäußerten Wunsch kommt er vor allem Schulz in die Quere: Nicht nur, dass er ebenfalls dieses Amt anstrebt, Personalpl­äne sollen erst nach dem Mitglieder­votum publik werden. Dieser und andere Querschüss­e werden am Wochenende für Gesprächss­toff sorgen: Auch inhaltlich gibt es Redebedarf. Und wenn Merkel, die die Dinge nüchtern sieht, ankündigt: „Es gibt noch eine ganze Reihe sehr ernster Dissenspun­kte“, lässt sie erahnen, dass nochein paar Nachtschic­hten anstehen.

 ??  ?? Der Bund will mehr Geld in Kitas und Schulen in den Ländern investiere­n, dafür muss Merkel jenes Gesetz ändern, das sie einst unterstütz­te
Der Bund will mehr Geld in Kitas und Schulen in den Ländern investiere­n, dafür muss Merkel jenes Gesetz ändern, das sie einst unterstütz­te

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