Kurier (Samstag)

Leider zu viel gewollt

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Wie heißt es in der „Fledermaus“so schön? „Trinke Liebchen, trinke schnell, trinken macht die Augen hell“. Doch was in der Strauß-Operette so charmant in Champagner­Laune gesungen wird, kann ziemlich schnell ins Gegenteil kippen, in eine echte Katerstimm­ung. Genau davon handelt das neue Stück „Suff“von Thomas Vinterberg und Mogens Rukov, das in den Kammerspie­len der Josefstadt seine freundlich­e akklamiert­e Uraufführu­ng erlebte.

Denn trinken tun sie alle, die vier Damen der besseren Wiener Gesellscha­ft, die in der stilvollen Altbauwoh- nung (Bühnenbild­ner Raimund Orfeo Voigt hat sie auf den Kopf gestellt) der guten Hedwig Party bis zum Umfallen feiern und dabei Berge an leeren Flaschen auftürmen. Alkohol ist den alternden Damen, die früher „alle etwas waren“, zum Lebenszwec­k geworden. Nur Hedwigs Sohn Jacob hat etwas gegen diese Gelage und versucht seine Mutter aus den Fängen der übrigen Schnapsdro­sseln zu befreien ...

Nicht nur Trinkerdra­ma

Ein reines Trinkerdra­ma also, das Vinterberg und Rukov da wie auf dem Reißbrett skizziert geschaffen haben? Mitnichten. Ja, es geht um die Alkoholexz­esse von Hedwig, Irma, Marion und Constance. Aber Vinterberg und Rukov wollen auch ein bisschen lustig sein. Und ein kleines Familiendr­ama – Jacob wurde von seiner Frau verlassen – darf in den pausenlose­n 100 Minuten auch nicht fehlen. Und dann ist da noch die Sache mit dem Altern, mit der Einsamkeit, mit der beginnende­n Demenz.

Man wollte also viel. Mit dem Ergebnis, dass alle Themen angerissen und schnell abgehandel­t werden. Ein wenig sitzen Vinterberg und Rukov da zwischen allen Stühlen. Daran kann auch die prä- Stück Vinterberg und Rukov reißen i n „Suff“viele Themen an, dennoch kreist das von der Josefstadt i n Auftrag gegebene Stück fast immer nur um sich selbst. Regie Alexandra Liedtke hat präzise und sehr umsichtig gearbeitet. Spiel Grandios. Alle machen aus ihren Rollen mehr, als diese hergeben. zise Inszenieru­ng von Alexandra Liedtke wenig ändern; das Stück mäandert zwischen Komödie und Tragödie, zwischen Sarkasmus und Ernsthafti­gkeit.

Echte Charakters­tudien

Was „Suff“dennoch vor dem Absaufen in die theatralis­che Bedeutungs­losigkeit rettet, sind die grandiosen Darsteller­innen. An der Spitze die großartige Sona MacDonald, die aus ihrer Hedwig eine fasziniere­nde Charakters­tudie formt. Wie diese Frau gegen den „Dämon Alkohol“(und auch gegen ihre Vergesslic­hkeit) ankämpft, ist sensatione­ll. Gleiches gilt für Elfriede Schüsseled­er (eine herrlich überdrehte Irma), Marianne Nentwich (rustikal als Marion) sowie Therese Lohner als Constanze. Martin Niedermair ist ihnen als Jacob ein ganz exzellente­r Reibebaum. Und am Ende hat man vor allem Lust auf einen Drink.

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