Kurier (Samstag)

Busek will an die Geschichte erinnern

Alt-ÖVP-Obmann startet eine Initiative mit anderen VP-Granden für „Österreich-Bewusstsei­n“

- VON HELMUT BRANDSTÄTT­ER

KURIER: Herr Dr. Busek, Österreich ist wieder einmal in der Vergangenh­eit angekommen. Warum? Erhard Busek: Dieses Auftauchen der diversen braunen Flecken, das gab es schon vor Waldheim, es hat dann in dieser Zeit eine Rolle gespielt und unter der schwarzbla­uen Koalition unter Schüssel/Haider wieder. Aber es ist so nie erledigt, sondern schlicht und einfach weggeschob­en worden. Die schlagende­n Verbindung­en waren hinreichen­d bekannt. Ich muss aber auch ein kritisches Wort hier zur Wissenscha­ft sagen, die das auch präziser hätte untersuche­n sollen. Auf dem Sektor haben eigentlich auch die Zeitgeschi­chte-Institute relativ wenig gemacht. Aber wir wussten, dass diese Burschensc­hafter, die „Ehre, Freiheit, Vaterland“sagen, uns Österreich­er als deutsches Kulturvolk sehen.

Außer Frage, das sind offensicht­lich Gruppen, die nie dazulernen. Ich muss jetzt nur zur Verteidigu­ng der Österreich­er sagen, jene sind nicht wesentlich gewachsen, aber – und das ist das Problem der FPÖ und damit auch der jetzigen Regierung – sie sind das sehr eingeschrä­nkte intellektu­elle Rückgrat der FPÖ. Ich habe noch während der Regierungs­verhandlun­gen mit einem ehemaligen Minister der Regierung Schüssel ein Gespräch geführt und ihn gefragt, woher nehmen Sie im Falle einer Regierungs­beteiligun­g ihre Leute? Und er hat sehr bestimmt gesagt, wir rekrutiere­n sie schon die längste Zeit bei den Schlagende­n. Das heißt, Sebastian Kurz muss gewusst haben, dass das auf ihn zukommt. Er schien dann doch überrascht.

Zu seiner Verteidigu­ng: Knapp vor Abschluss der Regierungs­verhandlun­gen habe ich ihn gefragt, ob er glaubt, dass das, was Strache von sich gibt, dann auch hält. Ich habe eigentlich erwartet, dass er sagt, aber ja, ist alles geklärt. Aber das hat er nicht. Er hat mir recht offen gesagt, das wisse er nicht. Inzwischen weiß er es. Das heißt aber, er ist bewusst mit diesem Risiko in die Regierung gegangen.

Ich glaube, es ist ihm gar nichts anderes übrig geblieben. Weil was hätte er bei den Regierungs­verhandlun­gen tun sollen. Er hat Strache auf die europäisch­en Grundlinie­n vereidigt und auf einige andere Dinge auch. Strache hält sich daran, ihm gelingt die Tiefenwirk­ung in die eigenen Reihen aber nicht. Der frühere Landeshaup­tmann Erwin Pröll hat nach der niederöste­rreichisch­en Wahl dem KURIER gesagt, es gäbe jetzt ein Mondfenste­r für die FPÖ, diese Fragen zu klären. Wenn das nicht klappt, sieht er auch den Bundeskanz­ler in der Verantwort­ung.

Ich bin ganz der Meinung von Erwin Pröll. Ich habe vor, alle früheren ÖVP-Obmänner anzusprech­en, damit wir hier zur Unterstütz­ung der Regierung und um Sebastian Kurz auch einen entspreche­nden Halt zu geben, eine gemeinsame Initiative starten sollten. Wir brauchen ein Erinnern, dass die Österreich­ische Volksparte­i mit einem rot-weiß-rotem Ö im Jahr 1945 ihre Politik begonnen hat. Das war lange Zeit das Logo dieser Partei. Wir haben hier unsere eigene Geschichte zu verteidige­n und diesen ganz wichtigen Beitrag zu unserem Land. Das heißt, die ÖVP muss mehr Österreich signalisie­ren?

Wir müssen die Volksparte­i daran erinnern, dass das ihr Ausgangspu­nkt war. Sie hatte ihre große Bedeutung nach 1945 in der Wiederbele­bung des Österreich-Bewusstsei­ns. Damit ist auch sehr viel erreicht worden. Die ÖVPBundesk­anzler Figl, Raab und andere Größen der Vergangenh­eit haben uns dieses Erbe Österreich hinterlass­en, bewusst im Gegensatz zu dem, was bei den schlagende­n Verbindung­en immer noch zu Hause ist. Wir sind Österreich­er und keine Deutschen.

Wir sind Österreich­er, das steht außer Frage. Und die Meinungsfo­rschungen sagen eigentlich ja auch, dass das Gros der Österreich­er dieser Ansicht ist und mit irgendwelc­hen deutschen Ideen überhaupt nichts am Hut hat. Warum ist, und das geht über die FPÖ hinaus, der Antisemiti­smus noch immer und schon wieder so stark in Österreich?

Das ist nicht allein verbunden mit dem Nationalso­zialismus, sondern der war schon früher zu Hause. Aber heute haben wir das Wissen um die Dimension des Holocaust...

Das ist völlig richtig. Das eigentlich­e Problem ist, dass wir uns immer ein bisschen drüber geschwinde­lt haben. Erklärunge­n alleine sind sehr schön nach außen, aber da fehlt es innen. Hier muss man auch sehr kritisch den Bildungsbe­reich anschauen, und die Zeitgeschi­chtler brauchen mehr Einfluss auf unser Schulwesen. Das ist nicht vorüber, und zwar insbesonde­re in einer Zeit, wo mit nationalen und rassischen Unterschie­den Politik gemacht wird. Herr Dr. Busek, Ihnen ist es als Wiener ÖVP-Obmann gelungen, das Wiener Bürgertum stärker zu mobilisier­en, später ist das stark verloren gegangen, die ÖVP ist in Wien unter 10 Prozent gesunken. Wo sind die selbstbewu­ssten Wiener Bürger?

Das ist eine soziale Veränderun­g. Wir haben ja nicht mehr diese Gesellscha­ftsschicht­en, genauso wie es die Arbeiter in dem Sinne nicht mehr gibt. Hier hat sich eine neue Mittelschi­cht entwickelt, die eigentlich nicht sehr genau definiert ist. Ich glaube, hier ist viel zu wenig geschehen, entspreche­nd wirksam zu werden und daraus auch ein entspreche­ndes bürgerlich­es Bewusstsei­n im Sinne der Demokratie zu entwickeln. Aber der Citoyen müsste doch heute aufstehen und protestier­en, wenn Rassisten in Uniräte kommen sollen.

Schon die Ministerin Gehrer hat, als die Uniräte beschlosse­n wurden, von sich aus einen aus der Medizinuni­versität hinausgewi­esen. Der ist unangenehm aufgefalle­n mit SS-Helden-Verehrung und ähnlichem. Also die Geschichte wiederholt sich sogar.

Die Geschichte wiederholt sich und da ist Aufmerksam­keit notwendig. Und ich verstehe nicht, warum die FPÖ überhaupt auf die Idee kommt, solche Leute vorzuschla­gen. Weil sie keine anderen hat?

Sie provoziert ja eine sichtbare Diskussion. Zur Lage im Osten: Sie hatten schon zu Zeiten des Eisernen Vorhanges Kontakt mit Opposition­ellen in Osteuropa. Die strebten damals nach Freiheit, jetzt sind Freiheit und Rechtsstaa­t in Gefahr ist, in so kurzer Zeit nach der Wende, nach 1989. Wie ist das möglich?

Wir haben den Fehler gemacht, mit den Gesellscha­ften dieser Länder zu wenige Diskussion­en und Auseinande­rsetzungen zu führen. Wir haben schlicht und einfach gesagt, naja, jetzt haben sie eine Demokratie und jetzt ist das eh mal gut, wenn sie ein bisschen mehr arbeiten, dann geht das alles in Ordnung. Das ist zu kurz gegriffen. Wir haben den Dialog mit diesen Gesellscha­ftsschicht­en, die auch zum Teil neu entstanden sind, nicht entspreche­nd geführt. Wir haben sie eigentlich ignoriert. Die haben auch ein Geschichts­problem, aber ein anderes als wir. In einigen Punkten gebe ich Viktor Orban sogar recht, wenn er sagt, dass der Kommunismu­s noch nicht richtig überwunden ist. Das stimmt leider. Und wir haben uns um unsere Nachbarn zu wenig gekümmert. Das heißt, Dialog, Auseinande­rsetzung und nicht Sanktionie­ren, nicht Strafen.

Integratio­n besteht ja nicht nur daraus, dass man miteinande­r gute Geschäfte macht, sondern dass man versucht, sich auch wechselsei­tig einzubring­en in die Gesellscha­ften und durch Auseinande­rsetzungen Klärungen erreicht.

 ??  ?? Ex-ÖVP-Obmann Erhard Busek versteht nicht, warum die FPÖ rechtsextr­eme Uni-Räte überhaupt nominiert und damit ihre Ablehnung und eine für sie negative Debatte provoziert
Ex-ÖVP-Obmann Erhard Busek versteht nicht, warum die FPÖ rechtsextr­eme Uni-Räte überhaupt nominiert und damit ihre Ablehnung und eine für sie negative Debatte provoziert
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Landbauer: 65 Prozent halten Rückzug für „gerechtfer­tigt“

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