Kurier (Samstag)

NGO-Erklärungs­not: Orgie im Katastroph­engebiet

Der Skandal um Sex-Partys von Oxfam-Mitarbeite­rn schadet auch anderen Nothelfern.

- VON KAROLINE KRAUSE-SANDNER

Geschlecht­ergerechti­gkeit ist eines der erklärten Ziele von Oxfam. Die britische Hilfsorgan­isation kämpft nach eigenen Angaben weltweit gegen Ausbeutung, Ungleichhe­it, Diskrimini­erung und Armut. Dafür verwendet sie jedes Jahr rund 460 Millionen Euro an Spendengel­dern und Regierungs­unterstütz­ung.

Auch nach demverheer­enden Erdbeben in Haiti 2010, bei dem 220.000 Menschen starben und 1,5 Millionen ihr Zuhause verloren, war die Organisati­on im Einsatz.

In einem Artikel der britischen Zeitung The Times wird nun Mitarbeite­rn von Oxfam vorgeworfe­n, damals in einer mit Spendengel­dern finanziert­en Villa Sex-Orgien veranstalt­et zu haben. Dabei sollen Haitianeri­nnen prostituie­rt worden sein. Auf Fotos seien die teils sehr jungen Frauen mit T-Shirts der Organisati­on zu sehen.

Minderjähr­ige

Bezahlter Sex verstößt gegen den Kodex von Oxfam, den jeder Mitarbeite­r unterschre­ibt. Prostituti­on ist in Haiti zudem illegal. Mehrere anonyme Informante­n äußerten gegenüber The Times die Vermutung, dass einige der Frauen minderjähr­ig gewesen sein könnten.

Die haitianisc­he Polizei wollte Oxfam allerdings nicht einschalte­n. Die Behörden hatten in dem völlig zerstörten Land ohnehin anderes zu tun, sagt ein Helfer von damals. Es wäre „unrealisti­sch“gewesen, dass sie sich einschalte­t.

Die sechs betroffene­n Oxfam-Mitarbeite­r stellten sich einer Untersuchu­ng. Darunter der Landesdire­ktor für Haiti, der Belgier Roland van Hauwermeir­en. Er habe die „politische Verantwort­ung“übernommen und trat zurück – wie seine Kollegen ohne weitere Konsequenz­en.

Die Organisati­on bestreitet, die Vorfälle vertuscht zu haben, ebenso habe sich der Verdacht, dass Minderjähr­ige prostituie­rt wurden, „nicht erhärtet“. Dem KURIER liegt ein Pressestat­ement aus 2011 vor, in dem Oxfam von einer „internen Untersuchu­ng“wegen „Fehlverhal­tens“schreibt. Das Medienecho war damals offenbar gering.

„Besatzung“

Hilfsorgan­isationen haben keinen guten Ruf in Haiti. Auch die UN-Friedensmi­ssion, die 2017 nach 13 Jahren beendet wurde, war oft als „Skandalmis­sion“bezeichnet worden. Laut dem Politologe­n Nicolas Lemay-Hébert sahen sie viele Haitianer als „internatio­nale Besatzung“. Brasiliani­sche Blauhelme hatten Kriminelle, aber auch teilweise Unbeteilig­te brutal misshandel­t, andere haben Haitianeri­nnen vergewalti­gt und Minderjähr­ige prostituie­rt. Als nach dem Erdbeben eine Cholera-Epidemie ausbrach, an der knapp 10.000 Menschen starben, kam der Verdacht auf, dass der Erreger durch UN-Soldaten nach Haiti gekommen sei.

 ??  ?? Nach dem Erdbeben auf Haiti 2010 waren 220.000 Menschen tot, 1,5 Millionen obdachlos. Dutzende NGOs waren im Einsatz
Nach dem Erdbeben auf Haiti 2010 waren 220.000 Menschen tot, 1,5 Millionen obdachlos. Dutzende NGOs waren im Einsatz

Newspapers in German

Newspapers from Austria