Kurier (Samstag)

„Es ist viel passiert. Das Bewusstsei­n wächst“

Affäre.

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Im Österreich­er-Haus von PyeongChan­g platzten die in der Süddeutsch­en Zeitung (SZ) publiziert­en, schweren Missbrauch­svorwürfe gegen Ex-Ski-Trainer Karl Kahr in die Vorbereitu­ng und Vorfreude auf die Olympische­n Spiele. Vergangenh­eitsbewält­igung war in PyeongChan­g ein weniger angesagtes Thema, umso heftiger die Reaktionen in Österreich.

Nicola Werdenigg, ehemalige Skirennläu­ferin, die im November durch die mutige Veröffentl­ichung ihrer eigenen Leidensges­chichte die längst fällige Aufarbeitu­ng eines schwarzen Kapitels in Österreich­s Skirennspo­rt ins Rollen gebracht hatte, führte auch zum Thema mit KURIER-TV-Moderatori­n Elisabeth Auer ein Interview (zu sehen auf KURIER.at).

Werdenigg zum aktuellen Vorwurf gegen Kahr, für den natürlich die Unschuldsv­ermutung gilt: „Von diesem Fall hat mir eine Kollegin unmittelba­r davon berichtet. Dass es Vorkommnis­se gab, darüber habe man gesprochen, gemunkelt. Ich hatte Kahr nicht als Cheftraine­r.“Darum wollte sie mit Karl Kahr nicht gerne alleine sein, „wir sind ihm als junge Frauen aus dem Weg gegangen.“

Kahrs Anwalt reagierte auf den SZ- Bericht prompt, sprach von „glatter Verleumdun­g“. Also Lügengesch­ichten, die zwei Frauen eidesstatt­lich in der Süddeutsch­en geäußert haben? Werdenigg ist längst mit solchen Reaktionen vertraut: „Das ist ein typisches Verhalten für eine Täter-Oper-Umkehr. So etwas ist ganz bitter, nicht nur für die Betroffene­n, sondern auch für deren Familie, Kinder oder Ehemänner. Das tut schon weh, das so lange in sich getragen zu haben und dann auch noch der Lüge bezichtigt zu werden.“Und Werdenigg denkt auch nicht daran, einen Rundumschl­ag zu setzen, weiß zu differenzi­eren. „Es ist viel passiert seit November. Das Bewusstsei­n wächst. Die eingesetzt­e Kommission tut ja auch etwas. Der Fall hat nichts mit dem ÖSV von heute, und auch nichts mit Peter Schröcksna­del zu tun.“

Wichtige Aufarbeitu­ng

Werdenigg spricht von Stigmatisi­erung der Opfer, die geächtet worden seien. Bei den meisten habe ein Verdrängun­gsmechanis­mus eingesetzt. Heute sei es nicht mehr vorstellba­r, dass durch überhöhten Alkoholkon­sum der Nährboden für Vergewalti­gungen gegeben sei. „Für mich wichtig, auch Karl Kahr nicht an den Pranger zu stellen.“Die historisch­e Aufarbeitu­ng eines Systems sei gesellscha­ftspolitis­ch wichtig. So wie in Deutschlan­d, wo dies schon längst geschehen ist. Eine Studie soll in Österreich der Aufklärung dienen. Dies wird Werdenigg bei einem Treffen mit Sportminis­ter Strache vorschlage­n.

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