Krapfen – flaumiger, köstlicher Genuss
Während des gesamten Jahres sorgen sie für frisches Brot und Gebäck, im Fasching zusätzlich für einen speziellen Genuss – den Wiener Qualitätskrapfen.
ballförmige Krapfen wurden bereits im Mittelalter in den Städten, vor allem in Wien, in öffentlichen Schmalzkochereien gewerbsmäßig hergestellt. Immerhin ernährte sich in Wien seit dem 15. Jahrhundert ein ganzer Berufsstand − die „Krapfenpacherinnen“− davon. Diese erhielten durch eine „Kochordnung“der Stadt Wien aus dem Jahre 1486 genaue Anweisungen, wie sie ihre Arbeit zu verrichten hatten.
Die Spätstufe der Krapfen, nämlich die verfeinerte städtische Abart des Krapfens, tauchte erst seit der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts verstärkt auf und unterschied sich beträchtlich von den rustikaleren Artgenossen. Nicht nur, dass der Wiener Faschingskrapfen aus feinstem Weizenmehl, Milch, Butter, Eidotter und Zucker hergestellt sowie mit Konfitüre gefüllt war, nein, es galt auch die Regel: je kleiner, desto feiner. Darüber hinaus war er exakt rund geformt. Und nicht zu vergessen der typische rundherum tadellose helle „Kragen“oder, wie der Österreicher sagt, das „Ranftl“(= Rand, Ring). „Die Krapfen müssen nämlich so leicht sein, dass sie nicht zur Hälfte in das heiße Schmalz sinken, und hierdurch das weiße Ränftchen erhalten“, schrieb einst ein Meisterkoch und Kochbuchautor des frühen 19. Jahrhunderts, F. G. Zenker.
Eine besondere Gaumenfreude
Dieser mit Marmelade gefüllte Krapfen war im Wien des 18. und 19. Jahrhunderts bei der bürgerlichen Stadtbevölkerung en vogue. Beim Hofball, bei großen Festen, in den Salons und an den gehobenen Tafeln ließ man das Backwerk servieren und es fand begeisterte Aufnahme. Ab 1786 waren in der „Wiener Zeitung“laufend und gleich seitenweise Annoncen für gefüllte oder ungefüllte Faschingskrapfen zu finden. Vielfach konnte man sogar die Art der Füllung wählen. Die gefüllten Krapfen wurden auf den Straßen Wiens überall zum Verkauf angeboten. Allein im Kongressjahr 1815 verzehrte man in Wien beinahe 10 Mio. Krapfen, die überall auf den Straßen zu kaufen waren. Diese gewaltig wirkende Zahl erscheint vorstellbarer, wenn man sich klarmacht, dass Wien − mit den zum Verwal- tungsbereich gehörenden Vorstädten − damals rund 238.000 Einwohner zählte. Damit war sie nach London und Paris die drittgrößte Stadt Europas. Gemäß dieser Aufschlüsselung dürfte jeder Bürger in den rund drei „närrischen“Monaten − der Fasching beginnt in Wien im Jänner nach dem Dreikönigstag und endet am Aschermittwoch − etwa 42 Krapfen gegessen haben. Also jeden zweiten Tag einen. Johann Baptist Strauß (Johann Strauß Sohn) komponierte 1869 sogar eine Polka, die er „Im Krapfenwaldl“nannte. Gemäß einer Sage soll im Wiener Krapfenwaldl ein wandernder Handwerksgeselle dem Teufel seine Seele verschrieben haben – für eine Schüssel Krapfen.
So dürfte es auf die Frage nach dem Ursprung des Krapfens nur eine Antwort geben: eben Wien. Zumal es noch jene bekannte Geschichte von der legendären Wiener Bäckerin Cäcilie (Cilli) Krapf gibt, die um 1690 erstmals die sogenannten „Cillykugeln“ge- backen haben krapfenähnliches gebäck, das mit gefüllt war. soll, ein HefeteigFrüchten
Handwerkliches Geschick
Die Herstellung des Krapfens ist heute fast ausschließlich eine Domäne der Bäcker und Konditoren. Aber auch wenn das Schmalzgebäck kaum noch aus der Schmalzpfanne gehoben wird, so ist dennoch viel Sorgfalt und Zeitaufwand mit der Herstellung verbunden. Der geknetete Teig mit den Grundsubstanzen Mehl, Hefe, Eigelb, Fett, Zucker, Salz und Flüssigkeit wird zunächst mit einer Teigteil- und -wirkmaschine geplättet, um dann mit Hilfe runder Messerscheiben in kleine Kreise geschnitten zu werden. Diese werden anschließend durch gleichmäßiges Rütteln in kleine runde Teiglinge gewirkt. Im warmen Gärraum lässt man die Gebäckstücke gehen, bis sich ihr Volumen etwa verdreifacht hat. Diese Größe und das damit verbundene Idealgewicht sind Voraussetzung dafür, dass der Krapfen nicht untergeht, sondern tatsächlich auf dem Fett schwimmt. Dadurch wird die Mitte nicht mitgebacken und bleibt in Form eines hellen Randes rund um das Gebäck stehen. Dieser sogenannte etwa zwei Zentimeter helle Kragen gilt als handwerkliches Qualitätsmerkmal. Zum Schluss füllt man den Krapfen mit Hilfe einer Füllmaschine, die auf Druck die Marmelade in das Gebäck presst. Früher wurde das süße Innenleben des Krapfens mit der Hand in die Teiglinge eingespritzt und mitgebacken.
Der wahre, der „perfekte“Krapfen sieht so aus: oben Staubzucker, nicht zu viel und nicht zu wenig, gefüllt mit ausreichend Marillenmarmelade, die aber nicht auf der anderen Seite des Teiges herausspritzen darf. Aber auch viele andere Krapfen-Varianten mit den unterschiedlichsten Füllungen – diverse andere Marmeladen, Powidl sowie Vanille- und Nougatcreme – erfreuen sich steigernder Beliebtheit.
Hoch-Zeit für Krapfen
Unter den Siedegebäcken, die vor allem in der Faschingszeit Hochkonjunktur haben, sind die Krapfen am populärsten. Mehr als 100 Mio. Stück werden Jahr für Jahr in Österreich verspeist.
Der jährliche Durchschnittskonsum an Krapfen pro Österreicher liegt bei 12 bis 13 Stück. Rund 100 Mio. Krapfen werden jährlich über Bäckereien und Handel vertrieben. Für 100 Mio. Krapfen benötigt man ca. 2.500 Tonnen Mehl, 400 Tonnen Zucker, 400 Tonnen Butter, 200 Tonnen Hefe, 25 Tonnen Salz, 12.500 Hektoliter Milch, 25 Millionen Eier, 5 Millionen Zitronen, 700 Hektoliter Rum und 1.000 Tonnen Marmelade. Rund die Hälfte der Krapfen wird im Fasching gegessen.
Qualitätskriterien
Die Bedeutung des Krapfen kann man auch daran erkennen, das er Eingang in das österreichischen Lebensmittelbuch, Codexkapitel B18 gefunden hat. Danach wird der Krapfen aus feinem Hefeteig hergestellt, der unter anderem mindestens 6 Eidotter (96g) pro kg Mahl- und Schälprodukte enthält. Krapfen werden mit Marillenkonfitüre oder Marillenfruchtfülle gefüllt, Krapfen mit anderen Füllungen werden entsprechend gekennzeichnet. Die Füllung der Krapfen besteht aus mindestens 15 Prozent Füllmasse bezogen auf das Fertiggewicht. 500 g Mehl (griffig), 40 g Hefe, 60 ml Milch (lauwarm), 60 ml Wasser (lauwarm), 3 St Dotter, 2 Stk. Vollei; 60 g Zucker (Kristall); 1 Prise Vanillezucker; 1 Spritzer Zitronensaft; 1 Prise Salz; 1 Schuss Rum; 60 g Butter (schaumig gerührt); je nach Füllmenge Qualitätsmarmelade