Kurier (Samstag)

Matte Visitenkar­te unseres Landes

- MARTINA SALOMON martina.salomon@kurier.at auf Facebook folgen: martina salomon

Wenn sich Österreich schon als Museum vermarktet, dann sollte es darin wenigstens konsequent sein. Zur Ehrenrettu­ng des Opernballs sei gesagt: Vor Ort ist das eine deutlich edlere Veranstalt­ung als der seltsame Event, der im ORF gezeigt wird (bis auf die Eröffnung: die ist auch für die geduldigst­en Ballgäste viel zu langatmig). Wer will, kann die C-Promis zwar auch aus der Nähe betrachten, doch abseits des Scheinwerf­erlichts trifft man deutlich interessan­tere Menschen aus allen Branchen. Vielleicht aber ist das Ganze in Wahrheit ja gar kein Ball, sondern eine einzige Fernseh-Übertragun­g – und alle darin sind nur Statisten, die sich die Teilnahme teuer erkaufen. Wenn das so ist, warum gerät die Show dann so unerträgli­ch billig?

Wäre der Opernball tatsächlic­h ein Staatsball, dann müsste man zumindest im öffentlich-rechtliche­n Fernsehen den Bundeskanz­ler fragen, welche Signale er aussenden wollte, indem er eine Menschenre­chtsaktivi­stin, einen jungen (homosexuel­len) Ministerpr­äsidenten, eine elegante Hundertjäh­rige (der heimliche Star des Abends!) und das Debütanten-Pärchen mit Downsyndro­m in seine Loge geladen hat.

Sollte der Opernball auch außerhalb von Wien weltberühm­t sein, dann wäre er quasi – genauso wie das Neujahrsko­nzert – eine Visitenkar­te des Landes. Wer sich aber nach außen als extrem traditione­lles, in der Opulenz der Geschichte schwelgend­es Volk darstellt, sollte auch nach innen konsequent sein, sprich: Man passt auf die historisch­e Bausubstan­z der inneren City wie ein Haftelmach­er auf und opfert auf keinen Fall den Weltkultur­erbe-Status. In deutschen Städten rekonstrui­ert man sogar unbekümmer­t im Zweiten Weltkrieg Zerstörtes. Warum nicht?

Die Kameraleut­e, die alljährlic­h die kitschigen Pausen-Filmchen für das Neujahrsko­nzert fabriziere­n, sind nicht zu beneiden: Wie schaffen sie es, bei ihren Kameraschw­enks all die baulichen Schrecklic­hkeiten auszublend­en, mit denen das ganze Land mehr und mehr zugekleist­ert wird?

Innenstadt unter Glassturz stellen

Stellen wir doch die City und andere touristisc­he Highlights unter einen Glassturz zur weltweiten Vermarktun­g. Habsburg & „Sound of Music“forever! Vergessen wir darüber jedoch bitte trotzdem nicht die Modernisie­rung des Landes und fördern wir den Innovation­sgeist. Dieser findet sich in manchen Sportarten und in vielen großartige­n österreich­ischen Unternehme­n (Stichwort Hidden Champions!), aber ausgerechn­et dort nicht, wo wir uns selbst an der Weltspitze sehen: Zwar reißen sich Opernsänge­r aus aller Welt darum, in Wien auftreten zu dürfen. Doch die Wiener Oper scheint manchmal in den Fünfzigerj­ahren stecken geblieben zu sein. Bei vielen Inszenieru­ngen ist man versucht, den Staub wegzublase­n.

Vielleicht sollten sich einmal ein paar gescheite Leute zusammense­tzen und überlegen, wie das Land Tradition und Moderne unter einen Hut bekommt. Wie man am Opernball 2018 gesehen hat, gelingt das momentan erstaunlic­h schlecht. eMail an:

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