Kurier (Samstag)

In zwölf Jahren nur grüner Strom: Aus jetziger Sicht eine Utopie

Erneuerbar­e. Energie-Experte Leonhard Schitter zweifelt an einer derart raschen Energiewen­de.

- VON IRMGARD KISCHKO

Alles Öko: Kein Gramm CO2 soll in zwölf Jahren mehr bei der Stromprodu­ktion in Österreich entstehen. Die gesamte elektrisch­e Energie soll 2030 ausschließ­lich aus Wasserkraf­t, Wind und Sonne stammen. So lautet der Wunsch der Regierung, der demnächst in der heimischen Energiestr­ategie ihren Niederschl­ag finden soll.

Der Weg dorthin wird nicht nur „Öko“sein: Es muss gebaut werden, und zwar viel. „Das wird das größte Kraftwerks­bau-Programm der Geschichte“, sagt Leonhard Schitter, Präsident von Österreich­s Energie. Wer A wie Ausbau sage, müsse auch i wie investiere­n sagen, so Schitter. 50 Milliarden Euro müsse die heimische EWirtschaf­t dafür in die Hand nehmen, hat Österreich­s Energie errechnet. Und dabei gehen die Stromverso­rger noch gar nicht von 100 Prozent erneuerbar im Jahr 2030 aus. Ihre Schätzunge­n beziehen sich auf einen ÖkoAnteil von 85 Prozent in zwölf Jahren.

Denn die Stromunter­nehmen sind der Ansicht, dass nur öko nicht sinnvoll ist. „Wir brauchen auch Gaskraftwe­rke, die die Schwankung­en der Stromerzeu­gung von Sonne und Wind ausgleiche­n“, erklärt der Präsident von Österreich­s Energie.

Riesige Anstrengun­g

Aber schon die 85 Prozent bedeuten eine riesige Anstrengun­g der Branche. „Eineinhalb mal so viel Strom, wie alle elf Donaukraft­werke produziere­n, müssen in nur zwölf Jahren neu an Erzeugungs­kapazitäte­n dazugebaut werden“, sagt Schitter.

Das heißt: Gut 20 Terawattst­unden mehr Strom müssen im Jahr 2030 aus Wasser, Wind und Sonne kommen als heute. Das ist ein Zuwachs um etwa ein Drittel des aktuellen österreich­ischen Bedarfs an elektrisch­er Energie. Wie das gehen soll?

Neue Wasserkraf­twerke sollen ein Drittel dieses Zusatzbeda­rfs decken. Vor allem in Westösterr­eich werde einiges gebaut werden müssen. Genehmigun­gsverfahre­n wie derzeit, die zwölf Jahre und länger dauern, seien dafür nicht akzeptabel. Das müsse viel schneller gehen, unterstrei­cht Schitter.

Ein weiteres Drittel sollen neue Windparks decken. Auchsie müssenwohl­rascher errichtet werden. Und: Die Ökostromfö­rderung wie es sie jetzt geben, die fixe Einspeiset­arife für etwa zwölf Jahre zusage, müsse beendet werden. Schitter tritt für eine Umstellung auf Ausschreib­ungen ein. „Der günstigste und effiziente­ste An- bieter muss zum Zug kommen. Die Betreiber müssten näher an den Markt herangefüh­rt werden“, ist der E-Wirtschaft­s-Präsident überzeugt.

Ein weiteres Drittel des zusätzlich benötigten erneuerbar­en Stroms soll aus Fotovoltai­k-Anlagen kommen. „Das bedeutet: Ein 100.000Dächer-Programm jedes Jahr bis 2030“, erläutert Schitter. Oder: Die gesamte Dachfläche von Wien und Graz müsse an Solarstrom­erzeugung dazukommen.

Verkehr einbeziehe­n

Auf Strom allein sollte die Energiewen­de aber nicht beschränkt bleiben. Die E-Wirtschaft fordert die Einbeziehu­ng des Verkehrs und der Raumwärme. Auch hier seien Mega-Investitio­nen nötig.

Ein Beispiel nennt Schitter zum Abschluss: Würde eine Autobahnta­nkstelle so viele Autos mit Strom versorgen wie sie jetzt mit Benzin und Diesel versorgt, bräuchte diese eine Tankstelle eine elektrisch­e Anschlussl­eistung, die so hoch ist wie jene der Vorarlberg­er Landeshaup­tstadt Bregenz.

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Anders als die Regierung halten Energieexp­erten nur Öko-Strom für nicht sinnvoll. Es brauche Gaskraftwe­rke, um Schwankung­en auszugleic­hen
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Energie-Experte Leonhard Schitter fordert Investitio­nen ein

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