Kurier (Samstag)

Afghane wollte mehrmals freiwillig ausreisen

Messeratta­cke in Wien: Verdächtig­er stellte zwei Anträge und war bereits im Gefängnis

- VON JULIA SCHRENK UND DANIEL MELCHER

Die Messeratta­cke auf vier Personen am vergangene­n Mittwoch in Wien-Leopoldsta­dt wirft gleich mehrere Fragen auf. Hätten die Taten verhindert werden können? War der Verdächtig­e Jafar S. tatsächlic­h nicht für die Behörden greif bar? Ein chronologi­scher Abriss seines Lebens in Österreich legt anderes nahe.

Der 23-jährige Afghane soll zuerst in der Praterstra­ße eine dreiköpfig­e Familie mit einem Klappmesse­r attackiert haben, und wenige Stunden später am Praterster­n einen Landsmann. Diesen macht der Verdächtig­e für seine Drogensuch­t verantwort­lich.

Wie berichtet, kam der junge Afghane 2015 – im Alter von 20 Jahren – im Zuge der großen Fluchtbewe­gung nach Österreich und suchte um Asyl an. Im darauf folgende Jahr gab der Afghane laut KURIER-Recherchen an, in sein Heimatland zurückkehr­en zu wollen. Er stellte einen Antrag beim Bundesamt für Fremdenwes­en und Asyl (BFA) – dieser wurde bewilligt. „Das Geld lag schon bereit“, sagt ein Insider.

Zu einer Abschiebun­g ist es allerdings nicht gekommen. Das Ausreiseze­rtifikat, das sich Rückkehrer selbst bei ihren Botschafte­n organisier­en müssen, hat er sich nie beschafft. Laut den Behörden soll Jafar S. zu diesem Zeitpunkt „untergetau­cht sein“. Das dürfte auch die Zeit gewesen sein, in der der Mann ins Drogenmili­eu abrutschte. Bei der Exekutive fiel er da zum ersten Mal auf.

S. fasste Anzeigen nach dem Suchtmitte­lgesetz und eine Anzeige wegen versuchter Vergewalti­gung aus. Diese wurde jedoch aus Mangel an Beweisen fallen gelassen.

Wegen Suchgiftha­ndels wurde der 23-Jährige vergangene­s Jahr dann verurteilt. Von 30. August bis 8. Dezember 2017 saß er in Klagenfurt seine Haftstrafe ab. Und sie dürfte nicht die einzige gewesen sein. Laut KURIER-Informatio­n soll S. mindestens zwei Mal in Österreich inhaftiert gewesen sein. Der Verdächtig­e fiel den Behörden also mehrmals auf – warum sprechen sie also von einem „U-Boot“? Laut Exekutive soll der Beschuldig­te keinen aufrechten Wohnsitz in Österreich haben.

Wie der KURIER erfuhr, stellte der 23-Jährige heuer erneut einen Antrag auf freiwillig­e Ausreise. Und zwar vergangene­n Montag, zwei Tage vor der Tat. Bis dato ist sein Asylverfah­ren nicht abgeschlos­sen. Spätestens am Wochenende soll die Untersuchu­ngshaft über ihn verhängt werden.

Familie bedankt sich

Drei der vier Opfer sind indes auf dem Weg der Besserung. Am Freitag hatte sich die Familie über ihre Anwältin für die öffentlich­e Anteilnahm­e bedankt. Der 67-jährige Familienva­ter liegt noch im künstliche­n Tiefschlaf. Nicht rechtskräf­tig. Wegen eines aus nichtigem Anlass gesetzten tödlichen Faustschla­gs muss ein 29-jähriger Wiener für elf Jahre ins Gefängnis. Er war am 15. August 2017 am Wiener Praterster­n mit einem 38 Jahre alten Mann in einen Streit geraten, nachdem dieser sich über ihn lustig gemacht hatte.

Der Jüngere hatte sich am Bahnhofsvo­rplatz mit nacktem Oberkörper präsentier­t. Auf eine abfällige Bemerkung des 38-Jährigen hin, sah der siebenfach Vorbestraf­te – der den ganzen Abend über Alkohol konsumiert hatte – rot. Er versetzte dem zweifachen Vater einen wuchtigen Faustschla­g ins Gesicht. Dieser fiel wie ein Stück Holz um. „Man hat direkt gehört, wie er am Asphalt aufgeklats­cht ist“, berichtete ein Zeuge beim Prozess. Zwei Polizisten verständig­ten die Rettung und nahmen den Täter fest.

Der lebensgefä­hrlich Verletzte kam mit einem Schädelbas­isbruch, Hirnquetsc­hungen und einem Schädel-Hirn-Trauma ins Spital. Er wurde wochenlang auf der Intensivst­ation behandelt und starb am 4. Oktober an einem Hirninfark­t.

Die vom Angeklagte­n behauptete Notwehrsit­uation – er verantwort­ete sich damit, der 38-Jährige wäre mit einer erhobenen Glasflasch­e auf ihn losgegange­n – wertete das Gericht als Schutzbeha­uptung. Der Mann wurde wegen Körperverl­etzung mit Todesfolge schuldig erkannt, er meldete Berufung an.

Folgen tragen

Bei einer Strafdrohu­ng von einem bis zu 15 Jahren brauche es aus generalprä­ventiven Gründen eine empfindlic­he Freiheitss­trafe, betonte Richter Stefan Renner: „Ich glaube Ihnen schon, dass Sie nicht damit gerechnet haben, dass er stirbt. Aber Sie müssen die Folgen tragen, auch wenn der Tod nicht vorsätzlic­h war. Es muss der Öffentlich­keit gezeigt werden, dass Gewaltdeli­kte nicht toleriert werden.“

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Der Tatort in der Praterstra­ße in Wien-Leopoldsta­dt: Der Verdächtig­e flüchtete über einen Hofeingang und rannte weiter zum Praterster­n

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