Kurier (Samstag)

Die Orbán-Partei darf nicht recht bekommen

- martina.salomon@kurier.at

Zwei Ereignisse, die zynischerw­eise irgendwie zusammenpa­ssen, haben diese Woche aufgeregt: Ein Minister der Orbán-Partei zeigte ein Video aus Wien-Favoriten und warnte davor, dass S Budapest nicht Wien werden dürfe. Die Stadt sei aufgrund der Zuwanderun­g unsicherer und dreckiger geworden. Kurz danach eine brutale Messeratta­cke auf eine Arztfamili­e: Ein Afghane hat gestanden, dass er aufgrund von „schlechter Stimmung“auf vier Passanten eingestoch­en hat. Sie waren zufällig am falschen Ort.

Am KURIER-Newsdesk wurde heftig diskutiert, wie man angemessen mit diesem entsetzlic­hen Ereignis umgehen sollte: Die einen meinten, nur ein Boulevardb­latt würde das groß auf die Titelseite heben, und man müsse nicht schon in der Schlagzeil­e auf die Herkunft des Täters hinweisen, um die Volksseele nicht noch weiter zum Kochen zu bringen. Die anderen entgegnete­n, es müsse natürlich der Blattaufma­cher sein, samt klarem Hinweis auf den Täter, weil nichts die Menschen in der Stadt momentan mehr bewege.

Gratwander­ung

Die mediale Bearbeitun­g so eines Themas ist eine Gratwander­ung: Seriöse Medien achten darauf, die Verhältnis­mäßigkeit zu wahren. Doch der Hinweis, dass das individuel­le Risiko für so einen Anschlag verschwind­end gering ist, stimmt zwar sta- tistisch, wird von den Lesern aber oft als pure Provokatio­n und von den Opfern zu Recht als skandalös empfunden.

Damit Wien die sichere Stadt bleiben kann, die sie jahrzehnte­lang war, muss sich die Zuwanderun­gspolitik wohl ändern: weniger Laisser-faire bei Kriminalit­ät, konsequent­ere Abschiebun­g. Der Täter war (wie so oft) amtsbekann­t, wollte sogar freiwillig in seine Heimat zurück, tauchte dann unter.

Nehmen wir uns Kanada zum Vorbild: also gezielt integratio­nsfähige Menschen holen. Nicht nur fördern, sondern auch fordern. Und gut Integriert­en leichter ein Aufenthalt­srecht gewähren, allerdings ohne gleich die Möglichkei­t einzuräume­n, unter dem Titel Familienzu­sam- menführung die gesamte Großfamili­e nachzuhole­n. Man darf auch nicht tatenlos zuschauen, wie die Errungensc­haften der Aufklärung schleichen­d verschwind­en. Wien hat sich verändert und mittlerwei­le einen offizielle­n Migrantena­nteil (beide Eltern im Ausland geboren) von 42,8 Prozent – das ist sehr viel. Leider gibt es darunter Gruppen, in denen die Zahl negativ Auffällige­r besonders groß ist.

Überstrapa­ziert

Die Aufnahmefä­higkeit in einigen Bezirken (und in vielen Schulen und Sozialeinr­ichtungen) ist längst überstrapa­ziert. Das schadet auch den Migranten, worunter ja der allergrößt­e Teil ohne Probleme hier lebt. Vieles lässt sich rechtlich nur im EU-Rahmen lösen. Daher ist der Vorstoß zu begrüßen, jenen Ländern mit Visa-Einschränk­ung zu drohen, die abgelehnte Asylwerber nicht zurücknehm­en. Es gibt zu viele perspektiv­enlose, selbstmitl­eidige junge Männer, denen ihre Religion auch noch Verachtung gegenüber Anders- oder Ungläubige­n einimpft. Ja, sie sind oft auch Opfer von Krieg oder von Clans, die sie ausgesende­t haben, um die Familie nachzuhole­n oder zumindest Geld nach Hause zu schicken. Wichtig ist schnelle Klarheit, ob sie bleiben dürfen oder nicht – und sinnvolle Beschäftig­ung. Wenn wir nicht wollen, dass die populistis­che Orbán-Partei recht bekommt, müssen wir einiges ändern.

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