Kurier (Samstag)

Militär-Experten ermitteln im Vergiftung­s-Krimi

Großbritan­nien.

- VON STEFAN SCHOCHER

Mit jedem neuen Tag scheint die südenglisc­he Kleinstadt Salisbury mehr und mehr in den Ausnahmezu­stand zu geraten. Nachdem Sonderermi­ttler schon seit Tagen diverse Orte in der Stadt abriegeln und untersuche­n, werden jetzt auch Sondereins­atzkräfte der Armee in die Stadt entsandt – solche, wie es offiziell heißt, die imUmgangmi­t atomaren, chemischen und biologisch­en Waffen vertraut sind.

Die britischen Behörden lassen durchblick­en, sie wüssten mit welcher Substanz der russische Ex-Spion Sergej Skripal und seine Tochter Julia vergiftet wurden. Beide befinden sich im Spital der Stadt nach wie vor in kritischem Zustand und sind nicht ansprechba­r. Insgesamt, so heißt es, wurden 21 Personen wegen Vergiftung­ssymptomen behandelt. Darunter auch ein Polizist, der sich nach wie vor in Be- handlung befindet – allerdings ansprechba­r ist.

Die identifizi­erte Substanz, so heißt es, weise darauf hin, dass „staatliche Akteure“hinter dem Attentat stünden. Es handle sich um ein „sehr seltenes“Gift. Über die chemische Struktur der Substanz wird versucht, einen Urheber der Tat zu identifizi­eren. Völlig unklar scheint allerdings auch, wie das Gift verabreich­t wurde. Ausgeschlo­ssen wird derzeit anscheinen­d auch nicht, dass dem Opfer das Gift in einer Postsendun­g zuschickt worden sein könnte.

„Freiberufl­icher“Spion

Am Freitag jedenfalls schienen sich die Ermittler ganz besonders auf das Haus Skripals zu konzentrie­ren. Und auch die Gräber von Skripals Frau Ljudmila, die 2012 an Krebs starb, sowie von Sohn Alexander, der im vergangene­n Jahr mit 43 Jahren überrasche­nd in St. Petersburg an Leberversa­gen starb und in Salisbury begraben ist, wurden abgesperrt. Ob eine Exhumierun­g der Leichen bevorsteht, war allerdings unklar.

Bei der Durchsuchu­ng des Hauses Skripals dürfte es vor allem auch um die Tätigkeite­n des Ex-Spions gegangen sein. So hieß es sei- tens des britischen Auslandsge­heimdienst­es MI6, dass Skripal nicht mehr aktiv für den Dienst tätig sei.

Ausgeschlo­ssen wird allerdings demnach nicht, dass Skripal „freiberufl­ich“für private Sicherheit­sfirmen tätig war und sich dadurch Feinde machte. So war er scheinbar für die Firma Orbis tätig, die für ein Dossier über Trumps RusslandVe­rflechtung­en verantwort­lich zeichnet. An dem Dossier, so hieß es seitens Orbis, sei Skripal aber nicht beteiligt gewesen. Bekannt ist auch, dass Skripal Kontakt zu Agenten des russischen Militärgeh­eimdienste­s GRU pflegte.

In einem Tweet bezeichnet­e die russische Botschaft in London Skripal lediglich als MI6-Mann, mit dem man nichts zu tun habe.

In London bereitet sich die Regierung offenbar auf eine Reaktion vor, die laut Medien „das gesamte Spektrum“an Maßnahmen umfasst. Sollte sich die Spur nach Russland erhärten, sind scharfe Maßnahmen angedacht: Die Ausweisung von Diplomaten, eine internatio­nale Verurteilu­ng des Attentats sowie eine Aufstockun­g der britischen Militärprä­senz in Osteuropa an der Grenze zu Russland.

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Ein „sehr seltenes Gift“wurde verwendet. Spezialkrä­fte untersuche­n nicht nur die Parkbank, sondern auch Haus und Gräber
 ??  ?? Skripal bei Verhaftung im Jahre 2006 in Russland. Er und seine Tochter Julia kämpfen ums Überleben
Skripal bei Verhaftung im Jahre 2006 in Russland. Er und seine Tochter Julia kämpfen ums Überleben
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Julia (33) verlor vor einem Jahr ihren Bruder Alexander in St. Petersburg

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