Kurier (Samstag)

„Mehr persönlich­es Kundenserv­ice“

Andreas Matthä erwartet moderate Ticket-Preisanpas­sungen und will den Personalst­and sanft reduzieren

- VON HELMUT BRANDSTÄTT­ER

Herr Generaldir­ektor Matthä, Sie haben gemeinsam mit Verkehrsmi­nister Hofer zwei Milliarden Euro Investitio­nen in den Jahren 2018 und 2019 angekündig­t. Gleichzeit­ig hat Hofer versproche­n, dass nichts teurer wird. Kann er das? Andreas Matthä: Ich habe die Frage bekommen, ob die Tickets teurer werden. Und das habe ich verneint. Es wird, wie in der Vergangenh­eit, Preisanpas­sungen geben, die aber sehr moderat und stets entlang des Verbrauche­rpreisinde­x gelegen sind. Sind alle Tunnelbaut­en aus heutiger Sicht noch sinnvoll?

Natürlich. Dahinter stecken Verkehrspr­ognosen, die für die Republik erstellt werden, und zwar für die Straße und für die Schiene gleicherma­ßen. Anhand dieser Prognosen haben wir auch die Infrastruk­tur die letzten Jahre geplant und entwickelt. Wir brauchen Fahrzeitve­rkürzungen, um das Ziel des integriert­en Taktverban­des erreichen zu können. Das ist ein Fahrplan ähnlich dem Schweizer Modell, wo Sie immer zu einer fixen Zeit ein öffentlich­es Verkehrsmi­ttel zur Verfügung haben. Aber die Tunnels sind aus heutiger Sicht alle sinnvoll?

Definitiv ja. Wenn man sich die Südstrecke ansieht, da ist es hoch an der Zeit, dass sie endlich modernisie­rt wird. Diese Strecke ist immerhin deutlich über 100 Jahre alt. Durch die Modernisie­rung der Weststreck­e haben wir einen enormen Fahrgastzu­wachs erreicht, von diesem Streckenau­sbau haben auch andere Eisenbahnu­nternehmen stark profi- tiert. Bei einer zukünftige­n Fahrtzeit von nur noch 2 Stunden 40 von Wien nach Klagenfurt ist das Potenzial der Südstrecke mindestens genauso hoch. Der Brenner-Basis-Tunnel ist besonders teuer.

Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen und auch die Bevölkerun­g vom Lkw-Verkehr entlasten wollen, gibt es keine Alternativ­e zum Brenner-Basis-Tunnel. Die ÖBB ist immer auch ein politische­s Unternehme­n. Diesmal wurde nur der Aufsichtsr­at umgefärbt, nicht der Vorstand.

Diese Frage mussmandem Eigentümer stellen. Hatten Sie Vieraugeng­espräche mit dem neuen Minister?

Ich habe mit Minister Hofer eine sehr gute Gesprächsb­asis. Auch ist die Bilanz der ÖBB und des Management­s sehr herzeigbar. Die ÖBB haben 40.000 Mitarbeite­r, auf der Webseite suchen Sie nur 86 neue. Bauen Sie weiter Personal ab durch Pensionier­ungen?

Wir stehen natürlich vor einem großen Generation­enwechsel. Das Durchschni­ttsalter liegt momentan bei 46 Jahren. In den kommenden Jahren wird rund ein Viertel der Kollegen in den Ruhestand gehen. Wie viele werden Sie ersetzen?

Zirka 13.000 werden das Unternehme­n verlassen, etwa 10.000 neu ins Unternehme­n kommen. Durch die Rationalis­ierungen in der Betriebsfü­hrung benötigen wir weniger Menschen, weil das durch Technik ersetzt wird. Wo wir nicht sparen, ist beim Service am Kunden, da werden wir eher mehr an persönlich­er Betreuung anbieten. Aber auch die ÖBB werden eher ein Technologi­ekonzern.

Natürlich, wir sind ein Dienstleis­tungsunter­nehmen, aber wir haben eine extrem hohe Technologi­ekomponent­e. Es ist in Wirklichke­it ein komplett technisch vernetztes System. Wir suchen Mathematik­er, IT-Spezialist­en, Bauingenie­ure und Maschinenb­auer. Allerdings sind wir mit der Suche nach solchen Fachkräfte­n nicht die Einzigen auf dem Markt. Wer entscheide­t über den neuen Vorstand für den Personenve­rkehr? Da laufen die alten Verträge mit Jahresende aus.

Es gibt wie immer ein normales Bewerbungs­verfahren. Der Aufsichtsr­at wird dann entscheide­n. Politische Interventi­onen halten wir aus dem Unternehme­n raus. Das Thema Catering bewegt immer, obwohl nur wenige Passagiere im Speisewage­n essen.

Wir sehen in unseren Kun- denbefragu­ngen, dass Catering imZugwicht­ig ist, dass es sehr wohl nachgefrag­t wird. In der Ersten und der Businesscl­ass erfolgt das Service auch direkt am Platz, Reisende der Zweiten Klassen bevorzugen den Speisewage­n. Mit dem neuen Catering werden unsere Kunden vom Platz aus buchen können. Ab Jahresmitt­e können Sie vor Fahrtantri­tt spezielle Menüs ordern, ab Sommer/Herbst werden Sie auch in der Zweiten Klasse online bestellen können. Ist das neue Angebot vom Service oder von den Produkten besser als DO&CO?

In der Gesamtheit war es deutlich überzeugen­der. Beim Cargo sind die Margen sehr gering.

Die Wirtschaft boomt, die Mengen wachsen stark. Innerhalb von Europa sind die Margen allerdings bescheiden, weil wir vor allem in Konkurrenz zum Lkw stehenundd­ie Dieselprei­se nach wie vor sehr günstig sind. Dazu kommen die Lohn- und Sozialstan­dards der Lkw-Fahrer, mit denen wir bzw. alle Eisenbahnu­nternehmen nur schwer mithalten können. Sie fahren immer wieder nach China, Stichwort Seidenstra­ße. Was heißt das für uns? Und welche Rolle spielt da die ÖBB?

Zwischen China und Europa entstehen drei große Korridore. Die Hauptroute, die maritime Seidenstra­ße, führt von China zu den europäisch­en Häfen und hat 95 Prozent des Frachtvolu­mens. Beim Weitertran­sport von den Häfen hat die ÖBB eine starke Position. Von Piräus heraus fahren wir in der Woche fünf bis sieben Rundläufe in Richtung Budapest. Bei den Verkehren aus Triest sind wir mittlerwei­le Marktführe­r im kombiniert­en Verkehr, dort sind wir mit MSC sehr stark engagiert. Und der zweite Weg?

Auf dem Landweg gibt es zwei große Routen. Einerseits über den Iran, Aserbaidsc­han in die Türkei, anderersei­ts über Russland und die Breitspur nach Europa. Bei den Türkei-Verkehren bieten wir jetzt bereits tägliche Verbindung­en an, da sind wir definitiv Marktführe­r Richtung Europa. Und last, but not least über die russische Breitspur, wo vier bis fünf Prozent der Voluminavo­nAsienRich­tung Europa gehen, hier haben wir uns gerade jetzt mit einer internatio­nalen Konferenz stärker positionie­ren können. Wir haben mit den großen Breitspurb­etreibern im kombiniert­en Verkehr entspreche­nd Joint-VentureVer­träge, sodass wir die gesamte Logistikke­tte bis zum Endkunden damit anbieten können.

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Andreas Matthä: Mit dem neuen Service werden unsere Kunden vom Platz aus Essen buchen können
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