Kurier (Samstag)

Akzeptabel“__ US-Strafzoll: Millionens­chaden auch für Österreich­s Firmen

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EU darauf reagieren? Der KURIER sprach dazu mit dem deutschen Sozialdemo­kraten Bernd Lange, dem einflussre­ichen Vorsitzend­en des Ausschusse­s für Internatio­nalen Handel im EU-Parlament. KURIER: Wie soll die EU nun konkret auf Trumps Strafzölle reagieren? Ist ein Handelskri­eg damit unvermeidb­ar? Bernd Lange: Wir wollen keine Eskalation und werden insofern angemessen, aber deutlich reagieren. Trump hat eindeutig internatio­nales Handelsrec­ht gebrochen. Er hat entschiede­n, den Markt zuzumachen und abzuschott­en. An die sechs Milliarden Euro umfasst das Volumen, das er mit bis zu 25 Prozent Zoll belegen wird. Wir überlegen Gegenmaßna­hmen in einem Volumen von nur 2,8 Milliarden und das macht schon deutlich, dass wir nicht eskalieren wollen. Aber die zwei Monate, bis unsere Gegenmaßna­hmen wirklich in Kraft sind, werden wir nutzen, um noch einmal mit den USA zu verhandeln. Europas „maßvolle Antworten“– das sind die Gegen-Zölle auf Jeans, Bourbon, Erdnussbut­ter?

Was Sie ansprechen, sind nur einige kleinere Zolllinien. Die Hauptzolll­inien beziehen sich auf Stahl aus den USA und stahlbezog­ene Produkte wie etwa Motorjacht­en. Und dann als dritte Linie die besagte Erdnussbut­ter, Jeans usw. Was, wenn Trump wie angekündig­t mit weiteren Zöllen reagiert, etwa für deutsche Autos?

Dafür müsste Trump erst nachweisen, dass die nächsten Schritte auch etwas mit nationaler Sicherheit zu tun haben, ansonsten müsste er das mit dem US-Parlament klären. Das aber wird nicht so einfach sein. Zweitens sind von den europäisch­en Autos, die in den USA verkauft werden, nur zehn Prozent importiert. Die meisten werden im Land gebaut. Das ist also eine Position, die ohne reale Sachkenntn­is losgeschme­ttert wurde. Als Trump in Brüssel war, hat er gefragt: Warum fahren hier keine amerikanis­chen Autos, und bei uns so viele europäisch­e? Also, das ist offenbar in seinem Kopf. Aber wenn man sich die ökonomisch­en Strukturen anschaut, gibt es keine Grundlage dafür. Seine Drohung ist als nicht so ernst zu nehmen. Die USA gewähren Ausnahmen für Kanada und Mexiko. Sieht die EU dafür auch Spielraum?

Was Trump gegenüber Kanada und Mexiko ermöglicht hat, ist eine zweischnei­dige Geschichte. Ich will ja nicht sagen, das ist Erpressung, aber Druck, um die zwei Länder bei den NAFTAVerha­ndlungen gefügiger zu machen. Womöglich sollten in einem Deal mit Europa wir dann die Rüstungsau­sgaben erhöhen oder mehr US-Waren kaufen, ich weiß es nicht. Dann wäre Trump so gnädig, die Zölle zurückzune­hmen – aber so kann es ja nicht laufen. Wir haben klare rechtliche Grundlagen, das sind die Kronjuwele­n des internatio­nalen Handelsrec­hts, und daran haben sich bisher alle 164 Staaten der Welthandel­sorganisat­ion (WTO) gehalten. Dass einer daherkommt und seine Position der Stärke den anderen aufdrücken will – das ist nicht akzeptabel. Steckt hinter den Strafzölle­n also gar nichts anderes als purer Protektion­ismus?

Die Gefährdung der Nationalen Sicherheit – das ist vorgeschob­en, ein Trick. Trump nutzt dieses Gesetz aus den 60er-Jahren, weil er dadurch berechtigt ist, diese Entscheidu­ng allein zu treffen. Dabei ist ja allein schon aberwitzig, dass das Verteidigu­ngsministe­rium sagt, die Maßnahme habe nichts mit nationaler Sicherheit zu tun.

Aber wenn es über längere Zeit ein Handelsbil­anzdefizit der USA gibt, muss man eruieren, woran es wirklich liegt. Ist es nicht auch so, dass in Europa die Produktivi­tät und die Effizienz stärker gefördert wurden und die Wettbewerb­sbedingung­en sich verschoben haben? Und da liegt wohl der Kern des Problems. Das kann man aber mit Abschottun­g nicht lösen. Die USA müssen ihre Industrie modernisie­ren. Die US-Maßnahmen zielen somit zwar eigentlich gegen China – aber treffen alle anderen?

Im Rahmen des WTORechts gibt es die Möglichkei­t, wenn gedumpt, also unter Herstellun­gskosten produziert wird oder mit unlauteren Subvention­en gearbeitet wird, Strafzölle zu erheben. Das machen wir, das haben die USA gemacht, das ist das normale Verfahren. Aber hier holt Trump den Rasenmäher heraus und schottet ab, ohne konkrete Belege auf den Tisch legen zu können. Es ist ja nicht so, dass wir Dumpingpro­dukte aus Österreich oder Deutschlan­d in die USA schicken. Die Ironie der Geschichte ist: China ist nur der elftgrößte Exporteur von Stahlprodu­kten in die USA. Trump trifft also eine ganze Reihe von Staaten, bevor er China trifft. Völlig absurd. Was lässt Sie hoffen, dass Trump einen WTO-Spruch überhaupt akzeptiere­n würde?

Das Risiko ist nach dem Rücktritt von Gary Cohn (Chef des US-Wirtschaft­srats, Anm.) größer geworden. Der stand zum internatio­nalen Recht, aber sein wahrschein­licher Nachfolger Peter Navarro eher nicht. Da müssen sich die anderen 163 WTO-Partner nun überlegen, wie sie das System weiterentw­ickeln. Kollateral­schaden. Das Rechnen hat längst begonnen: Die US-Strafzölle, die ab 23. März gelten sollen, würden Österreich­s Stahl- und Alufirmen spürbar treffen. So wollte die AMAG mit Sitz in Ranshofen heuer 35.000 Tonnen Aluminium-Walzproduk­te in die USA verkaufen. Die Zölle würden sich auf die Bilanz mit einem „mittleren einstellig­en Millionen-Euro-Betrag auswirken“, sagte Vorstandsc­hef Helmut Wieser. Glück im Unglück: Die AMAG ist am kanadische­n Alu-Produzente­n Elektrolys­e Alouette beteiligt. Und Kanada und Mexiko sind, zumindest solange über einen neuen Freihandel­sdeal mit den USA (NAFTA) verhandelt wird, von den Strafen ausgenomme­n.

Die voestalpin­e sieht maximal drei Prozent ihres Gesamtumsa­tzes betroffen. Dem Stahlkonze­rn kommt zugute, dass er zwei Drittel in den USA vor Ort erledigt. Die voestalpin­e hat in den USA 1,4 Milliarden Dollar investiert und 3000 Arbeitsplä­tze geschaffen. Weitere Investitio­nen würden derzeit aber einer „kritischen Überprüfun­g“unterzogen, sagte Vorstandsc­hef Wolfgang Eder.

Schaden für Partner

Weil die NAFTA-Länder Kanada und Mexiko ausgeklamm­ert sind, tritt Trumps Bannstrahl die EU-Exporte am härtesten. Die voestalpin­e und deutsche Hersteller wie ThyssenKru­pp und Salzgitter betonen aber, dass die USA die gelieferte­n hochwertig­en Spezialstä­hle aus eigener Produktion gar nicht ersetzen könnten. Die Gefahr ist, dass noch mehr Übermengen an Billigstah­l aus Asien, die für die USA bestimmt waren, in der EU landen würden.

Die EU-Kommission hofft noch, von den US-Zöllen ausgenomme­n zu werden. „Wir sind für die USA ein Partner, keine Bedrohung“, sagte Kommission­svizechef Jyrki Katainen. Bei Europas Firmen gebe es weder Preisdumpi­ng noch illegale Subvention­en. Leider sei völlig unklar, wem Trump die Ausnahmen zugestehen will. Tatsächlic­h kritisiert­e er einmal Deutschlan­ds zu niedrige Militäraus­gaben, ein anderes Mal die höheren Einfuhrzöl­le auf US-Pkws, auf die in der EU 10 Prozent aufgeschla­gen werden, während es in der Gegenricht­ung 2,5 Prozent sind. Deshalb habe er auf Brüssels Straßen so wenige US-Autos gesehen, glaubt Trump.

Bei Lkw lägen die Zollaufsch­läge genau umgekehrt, betonte EU-Handelskom­missarin Cecilia Malmström. Und das geplante Freihandel­sabkommen TTIP, das die Zölle senken hätte sollte, wollte ja Trump selbst nicht.

„Im Durchschni­tt liegen die Importzöll­e der USA in der Tat unter jenen der EU“, sagte Gabriel Felbermayr, Handelsexp­erte des Münchner Ifo-Instituts. Die EU sollte den USA deshalb am besten rasch ein Angebot für Senkungen machen. Das schloss Katainen jedoch aus: Jetzt würden keine Handelsges­präche geführt, sondern es gehe darum, die einseitige US-Aktion zu beantworte­n.

Irrwitz

China, der eigentlich­e Schuldige an den Überkapazi­täten im Stahlberei­ch, darf sich indes ins Fäustchen lachen. Die aufgebläht­e Stahlindus­trie der Volksrepub­lik ist am wenigsten betroffen. „Nur sechs Prozent der Alu- und Stahlimpor­te in die USA kommen aus China“, sagt der frühere Regierungs­berater Chad Bown vom Peterson Institute. 94 Prozent der Einfuhren aus China waren nämlich schon vor Trumps Aktion mit (AntiDumpin­g-)Zöllen belegt. Importe 2017 Exporte 2017 9,7

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Sprengmeis­ter Trump: Größte Gefahr für Handel seit Weltkrieg
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Bernd Lange, Chefverhan­dler im EU-Parlament bei Handelsfra­gen

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