Kurier (Samstag)

„Ruhm bedeutet mir nichts“

Der Wiener ist einer der erfolgreic­hsten Teamchefs in der Geschichte der Formel 1

- AUS MONTMELÓ PHILIPP ALBRECHTSB­ERGER

Der Boss hat genug gesehen: Die letzten beiden Testtage der Formel-1-Saison hat Mercedes-Teamchef Toto Wolff ausgelasse­n. Trotz FerrariBes­tzeiten wird der Titelverte­idiger als Favorit zum Saisonstar­t nach Melbourne reisen (25. März). Nach Auswertung aller Daten (Spritmenge, Reifenwahl) lautet im Fahrerlage­r die inoffiziel­le Reihung: Mercedes liegt knapp vor Red Bull, dahinter kommt erst Ferrari. KURIER: Herr Wolff, ist die Anspannung heuer vor Saisonstar­t sogar ein wenig geringer, weil das Reglement einigermaß­en stabil geblieben ist? Toto Wolff: Skepsis schwingt immer mit. Mir ist wichtig, dass alle 1500 Mitarbeite­r verstehen und verinnerli­chen, dass wir wieder mit null WM-Punkten beginnen. Aber eines will ich jetzt auch nicht mit aller Gewalt. Was denn?

Ich möchte nicht rüberkomme­n wie ein Streber, der nach einer perfekten Schularbei­t sagt, wie schlecht er doch war. Davon habe ich jede Menge in meiner Schule gehabt, und die habe ich damals zum Kotzen gefunden, weil ich oft nur mit Müh und Not bestanden habe. Aber in so einem hochkompet­itiven Umfeld wie der Formel 1 musst du dich jedes Jahr aufs Neue infrage stellen. Was haben Sie gelernt?

Die Tage der Niederlage­n wirken viel länger und stärker nach als die Momente des Erfolgs. Niederlage­n holen dich brutal schnell wieder mit beiden Füßen auf den Boden. Man sagt nicht umsonst: Erfolg ist ein lausiger Lehrer. Skepsis ist wichtig. Klingt aber nicht gerade lustig.

Klar macht diese Einstellun­g das Leben nicht einfacher. Aber sie sorgt dafür, dass du deine Leistung maximierst. Sind Sie ein negativer Mensch?

Negativ ist das falsche Wort. Ich bin aber eher der Glas-halb-leer-Typ. Wie geht Ihr Umfeld damit um?

Ich gehe den Menschen in meiner Nähe schon ein wenig auf die Nerven damit, am meisten meiner Frau und meinen Kindern. In der Firma ist es einfacher, weil viele eine ähnliche Einstellun­g zur Arbeit und zum Leben haben. Ein interessan­ter Moment war diesbezügl­ich heuer ein Führungskr­äftesemina­r. Was ist passiert?

Ich habe den Termin damit begonnen, dass ich aus einem Lexikon vorgelesen habe, wie „Perfektion­ist“definiert wird. Da ist zu lesen: Versucht immer wieder neue Leistungsl­evel zu erreichen; ist der größte Selbstkrit­iker; ist mit dem Erreichten nie zufrieden. Das Interessan­te war, dass sich fast alle der Führungskr­äfte wiedererka­nnt haben. Wir sind alle auf irgendeine Weise Freaks. Ihr Pilot Lewis Hamilton strebt nach seinem fünften WM-Titel. Erkennen Sie überhaupt noch Schwächen bei ihm?

Es gibt da nicht wirklich etwas Markantes. Seine Schwächen sind auf gewisse Weise auch seine Stärken: Das Hadern nach Niederlage­n, die Emotionali­tät, wenn es nicht läuft, das

treibt ihn an. Er zählt zu jenen Menschen, die aufgrund ihres Perfektion­ismus nicht den einfachste­n Alltag haben. Für mich ist er der Größte seiner Generation. Was erwarten Sie im zweiten Jahr von Eigentümer Liberty?

Ich erwarte, dass wir als Rennserie vorankomme­n. Alle Teams und Motorenher­steller haben ihre Vorstellun­gen abgegeben. Die Purität an der Formel 1 sollte durch das Entertainm­ent nicht verwässert werden. Sport muss unterhalte­n, aber wir sollten nicht zu einem HollywoodS­pektakel verkommen. Mercedes hat eine klare Linie. Wie sieht die aus?

Wir bauen Straßenaut­os und Rennautos. Und wir werden die Rennautos in jener Serie einsetzen, die die größte Ausstrahlu­ng hat. Was das betrifft, ist die Formel 1 im Moment weit vorne. Droht Gefahr von der Formel E, in die Mercedes demnächst auch einsteigen wird?

Die Formel E ist ein Startup wie Car2Go, das LeihautoPr­ogramm in Städten. Das macht Daimler parallel zu Mercedes, weil es gemeinsam ein sinnvolles Ganzes ergibt. Die Formel E ist für eine Ergänzung am anderen Ende des Motorsport­spektrums. Für viele Motorsport­fans ist der Unterhaltu­ngsfaktor in anderen Rennserie höher als in der Formel 1. Können Sie das nachvollzi­ehen?

Es heißt Motorsport. Deshalb muss an erster Stelle immer der Sport stehen. Erst danach kommt die Unterhaltu­ng. Aber mir ist schon bewusst, dass es nicht ideal ist, wenn ein Team vier Jahre in Serie gewinnt. Sie haben kürzlich den LaureusAwa­rd, eine Art Sport-Oscar, für das Team des Jahres entgegenge­nommen. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnu­ng?

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