„Die Gewalt überrascht mich nicht“
Analyse.
Er sei „in einer schlechten, aggressiven Stimmung und auf seine gesamte Lebenssituation wütend“. Das gab der 23-jährige Afghane Jafar S. bei der Polizei als Motiv für seine Tat an.
„Dass Gewalt passiert, überrascht mich nicht“, sagt Anny Knapp, Obfrau der Asylkoordination. „Asylwerber finden hier nicht die Möglichkeiten vor, die sie brauchen würden. Eine relativ rasche Abklärung im Verfahren, eine Perspektive und die Chance auf Integration.“
Dass Perspektivenlosigkeit in die Kriminalität führen kann, erklärte auch der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl am Donnerstag in der ZiB2.
Anny Knapp sagt aber auch: „Perspektivenlosigkeit könnte man abfedern.“Länger als zwei Jahre warten Asylwerber im Verfahren mitunter auf ihre erste Befragung durch die Behörde. „Für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wäre es ein Leichtes, kurz Nachricht zu geben. Wenn Asylwerber wüssten, dass ihr Fall in den nächsten drei bis vier Monaten behandelt wird, würde das Druck rausnehmen.“
Dazu kommt, dass viele Asylwerber – vor allem junge Afghanen – nichts anderes kennen als Gewalt. Sie sind im Krieg aufgewachsen, viele von ihnen sind vor der Flucht nach Europa in den Iran ge- flüchtet. Dort gelten Afghanen aber als Menschen zweiter Klasse, viele dürfen nicht einmal die Schule besuchen.
„Ich glaube schon, dass Menschen, die Gewalt erlebt haben, diese mitunter auch einsetzen“, sagt Knapp. „Die Menschen sind in Ausnahmesituationen. Es kann passieren, dass sie ausrasten.“
Kontakt
Es sei also besonders wichtig, dass Asylwerber hier soziale Betreuung erfahren – nicht nur (wenn nötig) psychotherapeutische oder psychologische (von der es viel zu wenig Angebot gibt). Auch der Zugang zum Arbeitsmarkt sei wichtig. „Eine Werteerziehung aus dem Trichter bringt nix“, sagt Knapp. Am ehesten können Integration gelingen, wenn Österreicher zeigen, wie hier agiert wird.