Kurier (Samstag)

„Kein Grund für Resignatio­n“

Mediziner machen Mut: Es gibt viele Möglichkei­ten, Betroffene­n zu helfen

- VON ERNST MAURITZ (TEXT) UND MANUELA EBER (GRAFIK)

Es wareine Nachricht, die viele verunsiche­rt hat: Anfang des Jahres gab der Pharmakonz­ern Pfizer bekannt, seine Forschung in den Bereichen Alzheimer und Parkinson einzustell­en. „Ich verstehe die Enttäuschu­ng von Betroffene­n und Angehörige­n – aber die Forschung geht weiter. Für Resignatio­n gibt es wirklich keinen Grund“, sagt die Neurologin und Demenz-Spezialist­in Prof. Elisabeth Stögmann von der MedUniWien/AKHWien. Sie ist eine der Expertinne­n am Podium beim kommenden KURIER-Gesundheit­stalk am Mittwoch, 14. 3. (siehe rechts unten).

Die meisten Studien der vergangene­n Jahre mit neuen Wirkstoffe­n richteten sich großteils gegen das Eiweiß Amyloid-beta, das sich bei einer Alzheimer-Demenz (rund 60 bis 70 % aller Demenz-Formen) zwischen den Nervenzell­en ablagert und dort Plaques bildet. Bei diesem Ansatz gab es mehrere Rückschläg­e. Aber daraus habe man gelernt: „Wir wissen heute, dass die Krankheits­ursachen wesentlich komplexer sind“, sagt Stögmann. Möglicherw­eise liege es auch daran, dass die Medikament­e zu spät im Krankheits­verlauf eingesetzt wurden – weshalb die Suche nach Markern zur Früherkenn­ung eine große Rolle spielt.

Denn die Krankheits­entstehung beginne schon rund 20 Jahre vor den ersten Symptomen – weshalb der Vorbeugung im mittleren Lebensalte­r eine große Bedeutung zukommt. „Eine optimale Therapie von Blut- hochdruck, Diabetes, die Reduktion von Übergewich­t – das alles wirkt schützend.“Aktuell als Risikofakt­or stark diskutiert wird Alkohol: „Höchstwahr­scheinlich führt der regelmäßig­e Konsum von Alkohol zu strukturel­len und funktionel­len Schädigung­en des Gehirns“, erklärt Stögmann.

Viele Möglichkei­ten

„Wirkönnens­chonheute sehr viel für Demenz-Betroffene machen“, sagt Georg Psota, Chefarzt des Psychosozi­alen Dienstes Wien. „Ich spreche gerne vom Sechs-AchsenSche­ma: Die Ebenen der Medizin, der Tagesstruk­tur, des Wohnens, der Angehörige­n, der profession­ellen Helfer, der ethischen und rechtliche­n Aspekte: Überall haben wir sehr viele Möglichkei­ten anzusetzen.“

So gebe es bei den Diagnosen „noch viel Luft nach oben“: „Noch immer finden sie oft erst im mittleren Stadium statt. Bei einer frühen Diagnose kann ich die Betroffene­n viel besser therapeuti­sch einstellen, den Krankheits­verlauf verlangsam­en – und ihnen früher das zustehende Pflegegeld gewähren.“Bei der Diagnose gehe es auch darum, herauszufi­nden, umwelche Demenzform genau es sich handelt – und um welches Stadium. „Nur wenn das Stadium und das Funktionsn­iveau miteinbezo­gen werden, können die Patienten optimal betreut werden.“

Psota weiter: „Wenn zum Beispiel ein 81-jähriger Patient sehr früh eine gesicherte Alzheimer-Diagnose erhält, ich alle therapeuti­schen und unterstütz­enden Möglichkei­ten ausschöpfe, ihn fördere und fordere, ganz entspreche­nd seinem Stadium, kann es bei gutem Ansprechen sein, dass er sich bis 85 nur minimal verschlech­tert – und vier gewonnene Lebensjahr hat.“Das Credo des Psychiater­s: „Wir können auch ohne neue Medikament­e viel tun und erreichen – nur müssen wir es auch tun.“

Demenz 65 aller Demenzen betreffen die Alzheimer-Krankheit

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Elisabeth Stögmann und Georg Psota: Viele Möglichkei­ten
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