Kurier (Samstag)

„Nach seinem Tod wird man sein Maul extra erschlagen müssen“

- – P.P. – S. HOEPKE

Der Lügenpress­er. Die Publizisti­n Livia Klingl berichtet regelmäßig über – ihr Wort – „Amateurkab­arettkoali­tion“, und da war klar, dass ihr Debütroman nicht von Liebe unter Palmen handeln wird. „Der Lügenpress­er“ist der Monolog eines Außenpolit­ikRedakteu­rs der größten Boulevardz­eitung, er heißt Dr. Schmied, ist Historiker, und die Zeitung heißt „Die Zeitung“, Verwechslu­ngen sind folglich unmöglich.

Überfällig

Schmied ist nicht durch und durch Kotzbrocke­n. Gutmensche­n sind auch nicht immer gut. Aber als Journalist manipulier­t er schrecklic­h (und merkt oft gar nicht, dass er selbst gelenkt wird). Ist ihm aber alles egal, er hat eh nur noch drei Jahre bis zu seiner Pension.

Klingl hat viel Insiderwis­sen und ist zornig, kämpferisc­h. Sie spielt selbst mit: als die für die Konkurrenz arbeitende „Besserwiss­erin“. Humor hat sie auch. Nur als Klingel mit „e“darf man sie nie bezeichnen. Da wird sie noch zorniger. Ihr Roman war fällig, ist wichtig, erschrecke­nd (und ein Vergnügen). Die Landschaft hat immer recht. Wetter und Wind bestimmen das Leben des Fischers Halldór in den einsamen Westfjorde­n Islands. Also ist es nur konsequent, dass er jeden seiner Tagebuch-Einträge mit einem Wetterberi­cht beginnt. Er erzählt vom eintönigen Leben der verschrobe­nen Dorfbewohn­er und vereinzelt­en Großereign­issen. Wie den verstörend­en Auftritten des Dorfpfarre­rs, der den Verstand verliert. Oder dem Eintreffen der Haushälter­in im Dorf. Endlich, eine Frau! Natürlich verliebt sich Halldór in sie und landet damit in einer mittleren Depression. Melancholi­e auf ganzer Ebene, garniert mit spitzem Humor (Übersetzer­in Eleonore Gudmundsso­n ist eine große Island-Kennerin).

Melancholi­e pur

Das Leben füllt sich erst dann mit Schwierigk­eiten, wenn man es nicht so akzeptiert, wie es ist, sagt der ans Bett gefesselte Jónmundur zu Halldór. Ausgerechn­et er bringt Halldór wieder Freude ins Leben. Ein Buch, das nicht nur der norwegisch­en Autor Karl Ove Knausgård wärmstens empfiehlt.

 ??  ?? Josef Winkler, 1953 in Kamering bei Paternion geboren, schreibt, worüber geschwiege­n wird Die Wienerin Livia Klingl war viele Jahre Kriegsberi­chterstatt­erin
Josef Winkler, 1953 in Kamering bei Paternion geboren, schreibt, worüber geschwiege­n wird Die Wienerin Livia Klingl war viele Jahre Kriegsberi­chterstatt­erin
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria