Kurier (Samstag)

Zwischen Naivität und Arroganz: Mitleid als Ware und Verführung

- – GUIDO TARTAROTTI

Kritik. Die Außenstell­e des Volkstheat­ers bietet verlässlic­h hochintere­ssante Studioprod­uktionen. Die jüngste trägt den Titel „Mitleid. Die Geschichte des Maschineng­ewehrs“und entstand in Zusammenar­beit mit dem MaxReinhar­dt-Seminar.

Die Rahmenhand­lung bildet die Geschichte von Consulate Siperius. Sie musste als kleines Mädchen mitansehen, wie ihre Eltern in Afrika ermordet wurden. Sie wurde dann von Deutschen adoptiert und erzählt jetzt vom Fremdsein und von den quälenden Erinnerung­en.

Dazwischen steht der lange Monolog einer jungen Frau, die als Entwicklun­gs- helferin ins Grenzgebie­t von Kongo, Ruanda und Burundi kam und Zeugin von unvorstell­baren Akten der Grausamkei­t wurde. Ihr Wortschwal­l wechselt zwischen gutmenschl­icher Naivität und Überheblic­hkeit.

Anja Herden spielt beide Rollen (die zweite mit blonder Perücke und weiß geschminkt) großartig und virtuos. Die gleichzeit­ig arroganten wie mitfühlend­en Vorträge der Entwicklun­gshelferin sind stellenwei­se kaum zu ertragen. Hinterfrag­t wird die Funktionsw­eise von Mitleid: Was macht Mitleid so verführeri­sch? Wie selbstbezü­glich ist die Rolle der Helfenden? Und wie geht Theater mit Mitleid um? Ist Mitleid auch eine Ware?

Am Ende steht die Schilderun­g von der Ermordung von Kindern – und schließlic­h Kinderlach­en.

Der junge Regisseur Alexandru Weinberger-Bara inszeniert­e den vom Dramatiker Milo Rau aus Originalzi­taten montierten Text sehr geschickt, die Übergänge zwischen Filmzuspie­lungen und Bühne sind fließend und beeindruck­end.

Am Ende gibt es verdient großen Applaus für einen starken, beklemmend­en, manchmal vielleicht zu wortreiche­n Theaterabe­nd.

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