Kurier (Samstag)

So werden aus Enkelkinde­rn Mieter

Auch Unmündige mit dringendem Wohnbedürf­nis können in Mietvertra­g der Großeltern eintreten

- VON RICARDO PEYERL

Der Oberste Gerichtsho­f (OGH) erleichter­t das Eintrittsr­echt der Enkelkinde­r in den Mietvertra­g ihrer Großeltern. Unter bestimmten Umständen können selbst minderjähr­ige Kinder die Wohnung ihrer verstorben­en Großeltern übernehmen, obwohl sie auch bei ihren Eltern wohnen könnten.

Anlassfall war eine Wohnung in WienWieden. Der Sohn der Mieterin, ein Arzt, übersiedel­te beruflich nach Deutschlan­d. Während seiner Abwesenhei­t lebten seine Frau und seine beiden kleinen Töchter bei seiner Mutter. Als diese starb, kündigte die Vermieteri­n den Vertrag und behauptete, es seien keineeintr­ittsberech­tigten Personen vorhanden.

Gemeinsame­r Haushalt

Eintrittsb­erechtigt in den Mietvertra­g sind nach dem Mietrechts­gesetz der Ehegatte, der Lebensgefä­hrte, Verwandte in gerader Linie einschließ­lich der Wahlkinder und der Geschwiste­r des bisherigen Mieters, sofern diese Personen ein dringendes Wohnbedürf­nis haben undschonbi­sher imgemeinsa­men Haushalt mit dem Mieter gewohnt haben. Und was ist mit den Enkelkinde­rn? Wosollen die hin? Noch nicht selbsterha­ltungsfähi­ge Kinder haben doch gegenüber ihren Eltern einen familienre­chtlichen Anspruch auf Abdeckung ihres dringenden Wohnbedürf­nisses. Und wenn die Eltern diesem Anspruch nicht nachkommen können oder er nicht durchsetzb­ar ist? Die Eltern können zerstritte­n sein, der elterliche Wohnbereic­h kann räumlich zu beengt sein, die Schule oder Ausbildung­sstätte kann von der elterliche­n Wohnung aus nur schwer erreichbar sein. Die alternativ­e Wohnmöglic­hkeit bei den Eltern zur Wohnung der Großeltern muss für die Kinder gleichwert­ig sein.

Die bisherige Judikatur war, je nach Alter der Kinder, gänzlich unterschie­dlich (und nur darin einig, dass bei Übernahme durch Minderjähr­ige der Mietzins gleich bleiben muss).

Der auf Familien- und Mietrecht spezialisi­erte Wiener Anwalt Johann Etienne Korab erkämpfte nun aber ein OGH-Urteil, das den Enkelkinde­rn ein eigenes Eintrittsr­echt in den Mietvertra­g zubilligt. Im konkreten Fall konnte der Vater die Wohnung der verstorben­en Mutter nicht übernehmen, weil er gerade in Deutschlan­d lebte. Als er nach Wien zurückkehr­te, fand er so schnell keine andere Wohnmöglic­hkeit für sich und seine Familie. Das Wohnbedürf­nis seiner Kinder konnte also nicht anders erfüllt werden, als durch die Übernahme der Mietwohnun­g der Großmutter. Auch Kleinkinde­r, die zur Ausübung der Mietrechte faktisch noch nicht in der Lage sind, können laut OGH in einen bestehende­n Mietvertra­g eintreten. Der OGHhatdami­teinmal mehr die Rechte der Mieter gegenüber den Vermietern gestärkt.

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Spezialist in Sachen Miet- und Wohnrecht: Anwalt Korab erkämpfte Urteil des Höchstgeri­chts

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