Kurier (Samstag)

Literatur-Nobelpreis­jury zerbricht an verschlepp­ter #MeToo Affäre

Schweden. Der Mann eines Jurymitgli­eds soll Frauen über Jahre missbrauch­t haben – und viele schwiegen.

- VON SUSANNE BOBEK

Statt 18 Jurymitgli­edern gibt es nur noch elf. Die Nobelpreis­stiftung warnt davor, dass der Skandal demAnsehen aller Nobelpreis­e schaden könnte. Was sich diese Woche in Schweden abgespielt hat, erinnert eher an eine Soap-Opera, denn an hohe Literatur. Es geht um das Akademiemi­tglied Katarina Frostenson, eine bekannte Lyrikerin, und ihren Mann Jean-Claude Arnault, dem seit Herbst 18 Frauen öffentlich vorwerfen, dass er sie belästigt habe. Er soll jungen Dichterinn­en vielsagend gedroht haben: „Wissen Sie denn nicht, wer meine Frau ist...“Die Ermittlung­en gegen Arnault sind inzwischen eingestell­t worden. Doch der Skandal schwelte vor sich hin, im Nobelpreis-Gremium passierte nichts, gar nichts. JeanClaude Arnault bekam weiter Förderunge­n für seinen gut dotierten Kulturvere­in.

Am Dienstag veröffentl­ichte schließlic­h ein Mitglied der Literatur-Nobelpreis­jury einen Brandbrief gegen Sara Danius, die Ständige Sekretärin und die erste weibliche Vorsitzend­e des Gremiums, weil sie so untätig geblieben ist. Drei Mitglieder legten ihre Funktionen zurück, die als al- lerhöchste Ehre auf Lebenszeit vergeben werden. Das Land war erschütter­t. Sogar König Carl Gustav schaltete sich ein und forderte die Mitglieder der Akademie auf, ihrer Verantwort­ung gerecht zu werden.

Die angegriffe­ne Sara Danius trat Donnerstag Abend zurück, der 57-jährigen Literaturw­issenschaf­tlerin wurde vorgeworfe­n, dass sie keine ausreichen­den Konsequenz­en aus einer Belästigun­gsaffäre habe ziehen wollen. Später am Abend legte auch die umstritten­e Katarina Frostenson ihre Akademiemi­tgliedscha­ft zurück. Frostenson hatte jahrelang über Subvention­en der Akademie für den Kulturvere­in ihres Mannes mitentschi­eden, ohne dass die anderen Mitglieder das wussten. Fast noch schlimmer wiegt: Sie soll die Namen von sieben Literaturn­obel-Preisträge­rn vorzeitig ausgeplaud­ert haben.

Das Ehepaar ist nicht erreichbar – „untergetau­cht“.

Vergabe überdenken

Angesichts dieser Vorfälle sieht der Autor Ilija Trojanow die Zeit gekommen, die Vergabereg­eln zu überdenken. Zumal die Jury „eine sehr eingeengte und sehr spezifisch­e Rezeption der Weltlitera­tur“habe. Trojanow bezeichnet­e die Stockholme­r Jury mit ihren vielen Geheimniss­en, die es stets um die Vergabe des Literaturn­obelpreise­s gegeben habe, als „fast so etwas wie die Freimaurer in der Literatur“. Er wünsche sich „eine internatio­nale Jury“und nicht, dass „eine Handvoll weißer Schweden, die da in Stockholm hocken, einen dermaßen einflussre­ichen Preis vergeben“.

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 ??  ?? Die ständige Sekretärin Sara Danius (o.) geht. Katarina Frostenson und Jean-Claude Arnault (re.) lösten den Skandal aus
Die ständige Sekretärin Sara Danius (o.) geht. Katarina Frostenson und Jean-Claude Arnault (re.) lösten den Skandal aus

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