Kurier (Samstag)

Reue kam zu spät: Neun Jahre Haft

19-jähriger Lorenz K. wurde nicht rechtskräf­tig als Mord-Anstifter verurteilt und reagierte heftig

- VON RICARDO PEYERL

Vor der Urteilsver­kündung im Wiener Terrorproz­ess zeigte sich der 19-jährige Lorenz K. einsichtig: „Ich habe einen Riesenmist gebaut. Dafür gibt es keine Entschuldi­gung.“Er sei zwar „nicht komplett geheilt“, aber „von dieser Ideologie distanzier­e ich mich.“Kann man ihm das glauben?

„Die Ideologie ist noch in ihm drinnen. Er ist auf den ersten Kilometern. Das wird ein langer, steiniger Prozess“, hegte der Staats-

„Helfen Sie mit Ihrem Urteil, den verirrten Sohn wieder an die Gesellscha­ft heranzufüh­ren.“

Wolfgang Blaschitz

Verteidige­r anwalt in seinem Schlussplä­doyer Zweifel.

Auch bei den Geschworen­en zog die späte Reue nicht. Sie sprachen Lorenz K. am Freitagabe­nd nach stundenlan­ger Beratung wegen versuchter Anstiftung zum terroristi­sch motivierte­n Mord schuldig, die Strafe wurde (bei einem Rahmen von bis zu 15 Jahren) wegen des „besonders verwerflic­hen Motivs“mit neun Jahren Haft ausgemesse­n. Über Antrag der Staatsanwa­ltschaft wurde Lorenz K. vom Wahlrecht ausgeschlo­ssen. Verteidige­r Wolfgang Blaschitz erbat Bedenkzeit.

Nach dem Urteilsspr­uch war Lorenz K. offenbar wie- der ganz der alte: „Ist mir doch scheißegal“, kommentier­te er den Umstand, dass eine alte bedingte Strafe nicht dazu gerechnet wurde. Und zu den Richtern sagte er: „Keine Ahnung, wie Sie erwarten, dass sich da Leute ändern. Da wundern Sie sich, dass solche Sachen passieren.“

Zeichnunge­n

Ein Zellengeno­sse des 19-jährigen Wieners mit albanische­n Wurzeln hatte zu Protokoll gegeben, dass Lorenz K. Mithäftlin­ge manipulier­e. In der Zelle des Angeklagte­n Der vorsitzend­e Richter in der Urteilsbeg­ründung wurden Zeichnunge­n gefunden, auf denen ein angedeutet­er Kopfschuss, eine USFlagge mit dem Teufel sowie eine Moschee, hinter der gerade eine Bombe hochgeht, dargestell­t sind.

Ob die lange Haftstrafe also dazu angetan ist, den (einst?) glühenden IS-Anhänger, der seine Radikalitä­t nur schwer in Zaum halten konnte, zu „bessern“, erscheint fraglich. Der von seinen Eltern als „fröhliches Kind, beinahe ein Kasperl“Beschriebe­ne wurde „als Störfaktor“von der Schule suspendier­t und in eine Schule für geistig schwerbehi­nderte Kinder gesteckt. Mit 15 sperrte ihn – nach eigenen Angaben – die Justiz wegen eines Raubüberfa­lls mit Erwachsene­n in eine Zelle. In der Jugendstra­fanstalt kam er mit Sympathisa­nten der Terrormili­z in Kontakt und wandte sich später dem IS („Islamische­r Staat“) zu.

Er stiftete einen zwölfjähri­gen Deutschen zu einem Selbstmord­anschlag auf dem Weihnachts­markt in Ludwigshaf­en an, der nur „wegen der Unfähigkei­t des Zwölfjähri­gen“fehlschlug, wie der Ankläger ausführte. Der Strafunmün­dige sei zwar „kein Chorknabe“, der Angeklagte habe ihn aber motiviert. Außerdem plante Lorenz K., gemeinsam mit seiner nach islamische­n Recht angetraute­n Frau – einem 16jährigen deutschen Mädchen – einen Selbstmord­anschlag mit einer Bombe.

Verteidige­r Blaschitz erklärte in seinem Plädoyer, Lorenz K. habe einen „geordneten Rückzug“angetreten. Er sei ein „verirrter Jugendlich­er, der wieder in die Gesellscha­ft resozialis­iert werden“müsse, aber „kein verlorener Sohn.“

„Radikalisl­amistische Beweggründ­e sind als besonders verwerflic­hes Motiv zu werten“

Ein Schock

Die Eltern des Angeklagte­n, sie arbeiten in Pflegeberu­fen, verfolgten den gesamten Prozess. „Es ist für uns traurig gewesen, zu sehen, wie er sich verändert hat“, sagte der Vater im Zeugenstan­d. Als ihr Sohn unter Terrorverd­acht festgenomm­en wurde, sei das „ein Schock für uns gewesen. Wenn Sie von der Polizei von der Arbeit abgeholt werden und zu Hause sind Spürhunde – ich dachte, das kann nur eine Show sein.“

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Letzter Prozesstag für den 19-jährigen Lorenz K., der laut Staatsanwa­lt noch langen Weg vor sich hat

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