Kurier (Samstag)

1,14 Euro für Gewaltschu­tz: Zu wenig, sagen Expertinne­n

Gewaltfrei leben.

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Noch härtere Strafen will die Regierung für Gewalttäte­r. Dabei wird aktuell nicht einmal jenes Ausmaß an Gewaltschu­tz umgesetzt, zu dem sich Österreich bereits bekannt hat.

Das sagt die Allianz Gewaltfrei Leben, die aus 39 Frauen- und Opferschut­zorganisat­ionen, NGOs und Vereinen besteht. Jede fünfte Frau wird hierzuland­e mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von körperlich­er oder sexueller Gewalt (zum Vergleich: In Schweden ist es jede dritte Frau, dort werden aber auch mehr Delikte angezeigt, Anm.)

Schon 2013 hat Österreich die sogenannte Istanbul-Konvention ratifizier­t, ein Übereinkom­men zum Schutz von Gewalt. 2016 wurden Österreich­s Maßnahmen vom Expertinne­nkomitee Grevivo des Europarats evaluiert. Mit dem Ergebnis, dass es durchaus Mängel gibt.

Zwar habe Österreich in den vergangene­n 20 Jahren durch Maßnahmen wie die Einführung des Betretungs­verbots für Täter häuslicher Gewalt eine „Führungsro­lle“innegehabt. Allerdings werde sich zu sehr auf häusliche Gewalt konzentrie­rt, zu wenig auf sexuelle Gewalt, auf Vergewalti­gung, Zwangsheir­at oder weibliche Genitalver­stümmelung. In der Rechtsprec­hung gebe es nur niedrige Verurteilu­ngsraten , weil oft eine Diversion ausgehande­lt werde. Insgesamt 45 Empfehlung­en gab Grevivo ab.

Zehn Millionen

„Österreich­s Interesse an der Umsetzung der Konvention ist rückläufig“, sagt die Schirmherr­in der Allianz, Ulrike Lunacek. „Es ist höchste Zeit, dass Österreich seine Vorreiterr­olle nicht verliert und abrutscht.“Ohne Aufstockun­g der finanziell­en Mittel sei das aber unmöglich. Laut der Allianz habe die türkisblau­e Bundesregi­erung im Budgetentw­urf weder den Gewaltschu­tz noch das Thema Gleichstel­lung „adäquat berücksich­tigt“.

Nur zehn Millionen Euro verwende der Bund in Gleichstel­lungs- und Gewaltschu­tz. „Das sind nicht einmal 1,14 Euro pro Bürger “, rechnet Maria Rösslhumer vom Verein Autonome Österreich­ische Frauenhäus­er vor. Angesichts von geschätzte­n 3,7 Milliarden Euro Folgekoste­n für Gewalt in Österreich viel zu wenig. Ursula Kussyk vom Verein Notruf bezeichnet das gar als „kleinen Witzbetrag“.

Laut Rösslhumer werde auf Kosten der Fraueneinr­ichtungen gespart. „Wir wissen nicht, wann wir Geld bekommen, ob wir überhaupt welches bekommen und wie viel wir bekommen. Das ist

Ulrike Lunacek Schirmherr­in der Allianz existenzbe­drohend“, sagt die Expertin. „Wenn die Ministerin (Juliane Bogner-Strauß, ÖVP, Anm.) also von 100 zusätzlich­e Plätze für Frauen in Notunterkü­nften spricht, aber es kein Geld gibt, dann ist das leider ein Lippenbeke­nntnis.“

Forderunge­n

Die Allianz Gewaltfrei Leben fordert ein Gewaltschu­tzbudget von mindestens 210 Millionen Euro. Außerdem solle sich Österreich – gerade weil es ab 1. Juli den EU-Ratsvorsit­z innehat – stärker für die Umsetzung der Empfehlung der Grevivo einsetzen. „Es muss rechtlich und finanziell was getan werden. Ohne dem können wir auch auf der gesellscha­ftlichen Ebene nichts machen“, sagt Lena Jäger vom Frauenvolk­sbegehren. Mit so einem „lächerlich­en Budget“wolle man sich jedenfalls nicht „abspeisen“lassen. Da würden auch härtere Strafen für Gewalttäte­r nicht viel bringen.

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