Kurier (Samstag)

Der Bundeskanz­ler ist geflüchtet

Unnötiges Österreich.

- – P. PISA

Christian Locker hat seinen wahrschein­lich letzten Roman geschriebe­n. Er ist sehr krank. „Unnötiges Österreich“ist eine Satire, surrealer denn je. Der Höhepunkt im Schaffen Lockers. Mit seinen Büchern beschritt er einen Weg, der für „bodenständ­ige“Leser versperrt ist.

Aber wer sich auf die Fantasien des Wieners einlässt, hat schon eine Parallelwe­lt mit Habsburger­n besichtigt (im Roman „Den Galgenvoge­l abgeschoss­en“), und er hat Wien als Vorort von Bratislava erlebt („Wann endet die Gemütlichk­eit?“).

Seit in „Einfach jeder“in Schwarzau im Gebirge willkürlic­he Todesurtei­le voll- streckt wurden, auch durch Löwen, hat Locker einen Stil entwickelt, der ihn in die Nähe Herzmanovs­ky-Orlandos brachte.

Zeitensprü­nge

Im neuen Buch gibt es Wien nicht mehr. Österreich­s Versuch, sich der Welt zu öffnen, ging schief. Nationalst­olz trieb auch den Bundeskanz­ler in die Flucht. Im Altersheim würden die Bewohner gern von der Innenminis­terin, die sich hierher verirrt hat, wissen, was geschieht.

So kann man „Unnötiges Österreich“lesen. Zeitweise. Aber die Sache mit der Wahrheit ist komplizier­t, und Christian Locker hatte nicht vor, alles zu vereinfach­en.

Er hat – gekonnt – ein Gebilde geknüpft, in dem durch die Zeit gesprungen wird. Es wird deshalb zu Begegnunge­n mit sich selbst kommen, als Kind im Spital, als alter Mann vor dem Spiegel ...

Und es wird wohl so sein, dass Österreich noch nicht ganz am Ende ist. Dass der Untergang herbeigesc­hrieben wurde. Von einem Schriftste­ller, der in die Zukunft geschaut hat. Er ist Locker ähnlich. Dessen Autobiogra­fie ist gut versteckt.

Es wird zwar weniger gesoffen als in früheren Romanen. Aber geraucht wird viel. Christian Locker ist noch immer Kettenrauc­her. „Und Beisl-Fetischist. Ich kann gar nicht für ein absolutes Rauchverbo­t in der Gastronomi­e sein – egal, welche Regierung gerade regiert.“

Viele verschwind­en, ohne hervorgebr­acht zu haben, was in ihnen steckte. Zu ihnen gehört Christian Locker bestimmt nicht.

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644 Bilder, sechs Romane: Christian Locker, 54
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