Kurier (Samstag)

„In der Musik sind reine Kopfgeburt­en zu wenig“

Gavin Bryars.

- – PETER JAROLIN

Sie war die Hollywood-Ikone des 20. Jahrhunder­ts, das Sexsymbol schlechthi­n und sorgte mit all ihren Filmen ebenso für Schlagzeil­en wie mit ihrem Privatlebe­n und ihrem allzu frühen Tod im Alter von nur 36 Jahren: Marilyn Monroe. Mit „Marilyn Forever“nähert sich der britische Komponist Gavin Bryars dem Menschen und auch der Kunstfigur Marilyn an. Die europäisch­e Erstauffüh­rung dieser 2013 erfolgreic­h uraufgefüh­rten Kammeroper findet heute, Samstag, im Kasino am Schwarzenb­ergplatz statt, das damit erneut von der Wiener Volksoper bespielt wird.

„Als ich den Film ‚Misfits‘ gesehen habe, wusste ich, das ist ein Stoff für eine Oper“, sagt Gavin Bryars im KURIER-Interview. „Dieser Film ist mit Stars wie Clark Gable, Montgomery Clift, Eli Wallach oder Thelma Ritter nicht nur grandios besetzt, er ist auch der letzte Kinoauftri­tt von Marilyn Monroe, die hier so intensiv spielt wie nie zuvor. Das hat mich gereizt: Die Frage, wer diese Marilyn eigentlich war.“

Aber, so der aus dem Jazz kommende, von der Minimal Music beeinfluss­te Bryars: „Antworten geben wir nicht, wir werfen lieber Fragen auf. Denn ich liebe Fragen, weil sie einen im Idealfall auch zur Selbstrefl­exion anregen können.“

Doch warum hat Bryars „nur“eine Kammeroper geschriebe­n, mit Werken wie „Medea“hat er doch bewiesen, dass er auch die „große Form“beherrscht? „Das hat ganz praktische Gründe. Für eine große Oper mit riesigem Orchester und vielen Sängern braucht man fünf bis sechs koproduzie­rende Häuser. Und wenn es dann ein Flop wird, haben die Intendante­n ein massives finanziell­es Problem. Eine Kammeroper mit wenigen Personen und wenigen Musikern kann man zudem viel leichter aufführen und damit touren“, so der 75-jährige, sehr pragmatisc­he Brite.

Grenzenlos

Mit Jazz und Free Jazz hat der exzellente Kontrabass­ist begonnen. John Cage oder Morton Feldman haben ihn ebenso geprägt wie Brian Eno, Robert Wilson oder Merce Cunnigham, für den er die Musik zu mehreren Choreograf­ien verfasst hat. „Ich kann jungen Komponiste­n nur raten, die Musik, die Kunst in ihrer Gesamtheit zu sehen. Schreibt Musik für die Musiker und für das Publikum! Und seht immer das Ganze. Ob Klassik, Jazz, Pop, Rock, was auch immer – die Musik sollte keine Grenzen kennen. Sie sollte nur spielbar und anhörbar sein. Reine Kopfgeburt­en sind zu wenig.“

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