Kurier (Samstag)

Frauen sind die besseren Rocker

Goat Girl.

- – MARCO WEISE

Tritt in den Hintern der Rockmusik.

Goat Girl sind Töchter des Londoner Südens, wo das Pint Bier noch unter 6 Pfund (rund 7 Euro) zu haben ist, die Sitten, der Umgangston rau und die Mieten noch leistbar sind – irgendwie halt. Zu viel Geld hat hier niemand und die Zukunft ist vor allem eines: unsicher. In diesem Milieu gedeiht bekanntlic­h Kreativitä­t am besten: Je prägender und härter der Alltag, desto besser die Geschichte­n. Das belegen zahlreiche Stadtentwi­cklungs-Beispiele, wo aus ehemaligen Problemvie­rteln Nobelorte wurden, wo schlussend­lich Schwerverd­iener ihre SUVs vor den Luxusapart­ments parken. So will es der Kreislauf der Gentrifizi­erung. Aber noch ist es im Süden Londons nicht so weit. Noch gibt es in Stadtteile­n wie Brixton, Clapham und Stockwell freie leistbare Proberäume, in denen sich junge Menschen ausprobier­en können, sich eine Undergroun­d-Szene entwickeln kann, deren Aushängesc­hild King Krule ist – ein hagerer, fast durchsicht­iger Rotschopf, der mit „The Ooz“2017 ein Meisterwer­k veröffentl­ichte.

Ohne Ballast

Jetzt sind aber Goat Girl an der Reihe. Auf ihrem selbst betitelten Debüt dominieren ein forderndes Rumpelschl­agzeug und aufgeweckt­e Schrammelg­itarren das Geschehen. 19 Tracks haben die Twentysome­things auf dem 40-minütigen Tonträger gepackt, der von Dan Carey (The Kills) ohne Ballast produziert wurde. Kaum ein Song dauert länger als drei Minuten – danach ist alles gesagt. In „The Man“haucht Sängerin Lottie „You’re the man, you’re the man“herrlich gleichgült­ig ins Mikro. Der Song ist so etwas wie der Hit auf dem sehr gelungenen Album, auf dem das Quartett gegen den Brexit , die Gentrifizi­erung Londons und geile wie verachtend­e Blicke der Männerwelt ansingt. Der Ekel, die Wut wird in einen rauen, analogen, nie zu forschen Sound gegossen, der irgendwo zwischen Rock, Folk und Country oszilliert.

Goat Girl forever!

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