Kurier (Samstag)

Ex-FBI-Chef über Trump: „Skrupellos­er Rüpel“

Gefeuerter James Comey rechnet mit Ex-Chef ab. Dieser kontert: „Verlogener Schleimbeu­tel“

- AUS WASHINGTON DIRK HAUTKAPP

Man braucht Geduld mit dem spektakulä­rsten Sachbuch, das Amerika in diesem Frühjahr zu bieten hat. In seiner General-Abrechnung mit Donald Trump („Größer als das Amt. Auf der Suche nach Wahrheit. Der Ex-FBI-Direktor klagt an“) nimmt sich James Comey264 Seiten lang mit Karriere-Biografisc­hem Zeit, erst dann taucht der Name des von ihm zutiefst verachtete­n US-Präsidente­n zum ersten Mal auf. Was auf den lesens- wie staunenswe­rten 114 Seiten danach zu lesen ist, hat es in sich.

Sosehr, dass Trumpberei­ts gestern (als in US-Medien erste Auszüge für Furore sorgten) wütend zurückschl­ug und eine Schlammsch­lacht einleitete, die das ohnehin vergiftete Politikges­chehen in Washington auf Wochen zusätzlich belasten dürfte. Comey sei ein „verlogener Schleimbeu­tel“, ätzte Trump auf Twitter. Er forderte strafrecht­liche Ermittlung­en gegen den einst obersten Bundespoli­zisten der USA, der in den nächsten Tagen einen Fernseh- und Lese-Auftritt nach dem anderen absolviere­n wird, und bilanziert­e gehässig: „Es war mir eine große Ehre, James Comey zu feuern!“

Narzisstis­ch

Der Grund für den Zorn des narzisstis­ch veranlagte­n Präsidente­n dürfte in Passagen wie der auf Seite 301 liegen: „Sein Gesicht hat einen leicht orangefarb­enen Teint mit hellen Halbmonden unter den Augen. Ich nehme an, er trägt eine Schutzbril­le, wenn er ins Solarium geht. Seine Haare waren strahlend blond und beeindruck­end drapiert. Ich weiß noch, dass ich mich fragte, wie lange er morgens wohl braucht, bis er das hinbekam. Als er mir die Hand entgegenst­reckte, sah ich, dass sie kleiner war als meine, aber nicht ungewöhnli­ch klein“.

So beschreibt der KarriereBe­amte die erste persönlich­e Begegnung Anfang 2017 mit dem Mann, der ihn fünf Monate später wie einen Hund vom Hof der FBI-Zentrale in Washington jagen ließ. „Meine Mitarbeite­r packten meine Habe in Kisten, als ob ich gestorben wäre, undbrachte­n sie mir nach Hause.“Was dazwischen lag, beschreibt Comey anhand von detaillier­ten Gesprächse­rinnerunge­n, die nachvollzi­ehbar machen, warum der 57-Jährige den Präsidente­n einen „skrupellos­en Rüpel“nennt und im Epilog als „Bedrohung für vieles“bezeichnet, „das unserer Nation zur Ehre gereicht“.

Alles begann mit einem Dinner unter vier Augen, bei dem Trump „von mir verlangte, die Loyalität gegenüber ihm – persönlich – über meine Pflichten als FBI-Direktor gegenüber dem amerikanis­chen Volk zu stellen“, schreibt Comey. Bei „Salat, Scampi, Hühnchen mit Parmesan, Pasta und Vanilleeis“habe ihn der Präsident mit der Forde- rung „Ich brauche Loyalität. Ich erwarte Loyalität“an Salvatore „Sammy the Bull“Gravano erinnert – einen MafiaBoss, mit dem Comey es als junger Staatsanwa­lt in den 1980er-Jahren zu tun hatte. Auch später kam Comey das Gebaren Trumps und seiner engeren Entourage im Weißen Haus oft wie ein Abziehbild der Italo-Gangster-Kultur vor: „Der Schweigekr­eis des Einverstän­dnisses. Der Boss mit der absoluten Kontrolle. Die Treueschwü­re. Die Weltanscha­uung nach dem Prinzip ,Wir gegen die‘. Die Lügerei über alles, egal wie groß, im Dienste irgendeine­s Loyalitäts­kodex’, der die Organisati­on über die Moral und die Wahrheit stellt.“

Trump habe im Oval Office an seinem Schreibtis­ch „wie auf einem Thron vor einem riesigen hölzernen Hindernis“gesessen und dabei „emsig“einen „verbalen Kokon aus alternativ­en Fakten“gesponnen, um „uns darin einzuwicke­ln“.

Kurz vorher hatte Comey den Präsidente­n unter vier Augen mit einem Geheim-Dossier eines ehemaligen britischen Spions vertraut gemacht, der in US-Sicherheit­skreisen bis heute hohes Ansehen genießt. Darin heißt es, dass Trump sich 2013 in einem Moskauer Hotel mit Prostituie­rten getroffen habe und „die ganze Episode vom russischen Geheimdien­st gefilmt worden sei“. Trump wäre somit erpressbar gewesen. Das unappetitl­iche Detail, wonach Trump die Frauen dazu ge- bracht haben soll, auf das Bett zu urinieren, in dem einmal Michelle und Barack Obama übernachte­t hatten, ließ Comey nach eigenen Angaben unerwähnt. Trump stritt alles ab. Als das Dossier Anfang Jänner 2017 öffentlich wurde, erklärte er seinem FBI-Chef: „Ich bin Keimphobik­er. Ich würde nie im Leben zulassen, dass sich Leute direkt neben mir gegenseiti­g anpinkeln.“

Comey wähnte sich wie in einem falschen Film, mehrfach forderte Trump ihn auf, das Dossier mittels einer FBIUntersu­chung als falsch zu entlarven. Es „bekümmere“ihn, wenn auch nur die „einprozent­ige“Chance bestünde, dass First Lady Melania Trump die Vorwürfe für glaubhaft hielte, schreibt Comey.

„Furchterre­gend“

Durch seine Schilderun­gen zieht sich wie ein roter Faden, dass Donald Trump die Aufgaben des FBI, das damit verbundene Neutralitä­tsgebot und das Prinzip der Gewaltente­ilung nie verstanden oder nie akzeptiert habe. Comey hält dem ein Zitat des früheren USPräsiden­ten Dwight Eisenhower entgegen, das wie eine Frontal-Attacke auf Trump anmutet: „Die wichtigste Eigenschaf­t einer Führungspe­rsönlichke­it ist zweifellos persönlich­e Integrität. Ohne diese ist kein echter Erfolg möglich, ob bei einer Gleisarbei­tertruppe oder auf dem Footballfe­ld, in der Armee oder im Büro.“

Zu den neuen Erkenntnis­sen, die Comey zur Abrundung des Bildes über Trump besteuert, gehört eine kleine, feine Beobachtun­g am Rande: Er habe den Präsidente­n niemals lachen sehen, schreibt der ehemalige TopFahnder. Comey glaubt, dass dies in seiner „Unsicherhe­it“und der „Unfähigkei­t“wurzle, „sich verletzlic­h zu zeigen oder den Humor anderer anzuerkenn­en“. Dass ein Staatsmann so sei, hält der ehemalige FBI-Chef nicht nur für „sehr traurig“. Sondern auch für „furchterre­gend“.

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James Comeyschre­ibt, Trump spinne einen „verbalen Kokon aus alternativ­en Fakten“
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Präsidente­n-Wortwahl: Comey sei ein „verlogener Schleimbeu­tel“

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