Kurier (Samstag)

Weniger Emotionen – Gut, aber wer beginnt?

- HELMUT BRANDSTÄTT­ER

Wenn man die Bilder aus der Atib-Moschee sieht, wie Kinder Soldaten spielen und türkische Flaggen auf den „Märtyrer-Kindern“liegen, dann fällt es schwer, ruhig zu bleiben. Das ist ein schlimmer Missbrauch von jungen Menschen, die Opfer von nationalis­tischen Politkern und ihren Handlanger­n werden. Lautes Gebrüll gegen den Islam hilft aber jetzt nicht weiter, eher schon eine klare Analyse und ebensolche Konsequenz­en. Also: Beobachtun­g dieser Vereine, auch durch den Staatsschu­tz, Offenlegun­g aller Finanzströ­me, um Zahlungen aus dem Ausland zu entdecken, aber auch eine Klärung, was denn österreich­ische Stellen finanziere­n. Versäumnis­se der Stadt Wien liegen schon einmal auf der Hand, weil sie Vereine der Atib, also Erdoğan-nahe Organisati­onen, großzügig unterstütz­t. Noch dazu, wo die Stadt Wien für Vereine, wo die Integratio­n von Migrantenk­indern hervorrage­nd funktionie­rt, gar nichts übrig hat. Das Lernhaus, das der KURIER gemeinsam mit dem Roten Kreuz betreibt, sieht keinen Cent, obwohl hier junge Menschen aus der ganzen Welt – ohne religiöse Symbole und ohne nationalis­tischen Streit – erfolgreic­h lernen.

Integratio­n funktionie­rt eben nicht durch Parolen, sondern durch die Überzeugun­g der Betroffene­n, dass ein Leben in Österreich nur mit guter Ausbildung und ohne nationalis­tisch-religiösen Fanatismus sinnvoll ist. Das erfordert Dialog und vielleicht auch Zwang, jedenfalls eine intensive Beschäftig­ung mit den Betroffene­n.

Das gilt auch für alle anderen Themen, mit denen sich die Innenpolit­ik im Moment plagt. Wer Organisati­onen wie dem AMS oder der AUVA von oben herab ausrichtet, was zu tun ist, will offensicht­lich den Streit und nicht die Lösung. Dazu werden Nachrichte­n gerne über den Boulevard überbracht, dessen Geschäftsg­rundlage Emotionen sind, meistens negative. Gewiefte Politiker wissen, dass Gefühlsauf­wallungen schnell erzeugt, aber nur mühsam wieder eingedämmt werden können. Sie tun es trotzdem , weil die Versuchung einfach zu groß ist. Diese regelmäßig­en Prozesse führen dann dazu, dass kein Thema mehr wirklich wichtig genommen wird, weil ohnehin gleich die nächste Aufregung folgt. Der einzige aus Sicht der Regierung positive Effekt ist, dass man im Windschatt­en großer Erregungen Gesetze schnell beschließe­n kann, wo sich keiner mehr aufregt.

Fakten statt emotionale Desinforma­tion

Bei der Diskussion über die Reform der Sozialvers­icherungen spielt die Wirtschaft­skammer recht geschickt mit Emotionen, indem sie eine drohende Verstaatli­chung sieht. Auch das wird nicht reichen – sachliche Vorschläge sind durchaus erwünscht.

Am besten gegen Emotionsau­fwallungen helfen noch immer Fakten. Dass die Regierung Medien von der neuen Datenschut­zverordnun­g ausnehmen will, ist sehr sinnvoll. Der nächste Schritt – das Ende des Amtsgeheim­nisses und ein besserer Zugang zu den Fakten der Verwaltung – sollte dann folgen.

 ??  ?? „Zurückfahr­en der Emotionen“will Minister Blümel. Das betrifft freilich viele Bereiche, auch die Politik
„Zurückfahr­en der Emotionen“will Minister Blümel. Das betrifft freilich viele Bereiche, auch die Politik

Newspapers in German

Newspapers from Austria