Beunruhigende Unfallserie bei den ÖBB
54 Nightjet-Insassen verletzt / ÖBB dementieren Sicherheitsproblem: „Sehr ungewöhnlicher Unfall“
Acht schwere Unfälle in nur 13 Monaten, aber Sprecher sieht kein Sicherheitsproblem
Überfahrene Signale, Zusammenstöße auf offener Strecke, Unfälle bei Verschubfahrten: Die ÖBB kommen seit Monaten wegen einer Unglücksserie von sieben schweren Unfällen mit Dutzenden Verletzten und einem Toten nicht aus den Schlagzeilen. Vorfall Nummer acht kam am Freitag dazu: In Salzburg krachte bei einer Verschubfahrt ein Nightjet in einen weiteren Nachtzug, mit dem er gekoppelt werden sollte. Ebenfalls am Freitag waren auch noch Güterwaggons in Oberösterreich mehr als 30 Kilometer führerlos unterwegs (siehe Text rechts).
„Wir haben geschlafen, als uns ein Ruck aufgeweckt hat.“Tim Wettstein und Benjamin Küng wollten Freitagfrüh im Nightjet von Zürich nach Wien fahren. Die Reise endete um 4.46 Uhr abrupt am Salzburger Hauptbahnhof. Der Zug hätte mit einer weiteren Garnitur aus Venedig gekoppelt werden sollen – dabei kam es zur wuchtigen Kollision. Wettstein erlitt eine Verletzung an der Stirn. Die Platzwunde musste mit fünf Stichen im Spital genäht werden. Gemeinsamwarteten sie am Vormittag noch am Hauptbahnhof auf einen ebenfalls verletzten Freund, um die Reise fortzusetzen.
„Wirklich heftiger Ruck“
„Es hat wirklich gekracht. Unsere Schaffnerin hat sich wahrscheinlich den Fuß gebrochen. Eine Frau musste aus ihrem Abteil getragen werden, ein Mannwargerade auf der Toilette und hat wirklich übel im Gesicht was abgekriegt“, schilderte Linda M., die ebenfalls durch den Zu- sammenstoß aus dem Schlaf gerissen wurde. Durch den „wirklich heftigen Ruck“habe sie zuerst gar keine Luft bekommen. Die 25-Jährige blieb aber unverletzt und saß bereits wenige Minuten später in einem Ersatzzug.
Die Einsatzkräfte mussten im Wesentlichen Schnittwunden und Prellungen versorgen. 54 der rund 250 Passagiere wurden in Spitäler gebracht. Bei einer Passagierin stellten sich schwerere Verletzungen heraus als zunächst vermutet. Sie musste nach Rippenbrüchen und einem Milzriss am Vormittag operiert werden.
ÖBB kalmieren
Der Hergang des Unglücks war am Freitag unklar. Von den ÖBB gab es am Freitag keine Erklärung für den Crash. Der Vorfall sei „ein sehr außergewöhnlicher Un- fall“, weil Verschubfahrten üblicherweise mit Schrittgeschwindigkeit erfolgen würden, sagt ÖBB-Sprecher Roman Hahslinger. Berichte, wonach die Verschublok mit 25 km/h in den Zug gekracht war, bestätigte er nicht.
Trotz der Unfallserie der vergangenen Monate (siehe Text unten) will Hahslinger nichts von einem Sicherheits- problem bei der Bahn wissen. „Wir haben absolut kein Sicherheitsproblem. Wenn man den Durchschnitt der letzten fünf Jahre betrachtet, ist die Zahl der Unfälle nicht angestiegen.“Die Anfrage nach einem Gespräch mit einem Sicherheitsexperten der ÖBB blieb erfolglos – am frühen Freitagnachmittag war „keiner mehr greif bar“, hieß es von Hahslinger.