Frühjahrsputz bei Gesetzen wird im Alltag kaum spürbar sein
Moser startet Rechtsbereinigung. Regierung streicht jedes dritte Gesetz. Verfassungsexperte: „Positiv, aber es betrifft Normalbürger nur indirekt“
Die „Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Justiz vom 8. April 1919 über den Schutz des Urheberrechtes an Werken der Literatur, Kunst und Photographie im Verhältnisse zum tschechoslowakischen Staate“wird aller Voraussicht nicht mehr lange im heimischen Rechtsbestand zu finden sein.
Die Abschaffung dieser und rund 2500 anderer nicht mehr benötigter Rechtsnormen wurde am Freitag einmal mehr im großen Stil von der Regierung präsentiert und letztlich auch in Begutachtung geschickt. Und der Entwurf dieses türkis-blauen Projekts ist von gewaltigem Umfang: Auf insgesamt mehr als 250 Seiten wird erläutert, welche Rechtsnormen auch künftig noch gebraucht werden. Insgesamt, so Justizminister Josef Moser bei der Präsentation an der Seite von Kanzler Sebastian Kurz und Vizekanzler Heinz-Christian Strache, fallen von rund 1600 Gesetzen etwa 600 weg – also mehr als jedes dritte. Zudem streicht Türkis-Blau laut Moser 55 Prozent der Verordnungen. Durchforstet wurden Normen, die vor dem Jahr 2000 kundgemacht wurden – exklusive Verfassungsrecht.
Wozu aber ist das Ganze gut? Moser selbst erklärte schließlich, dass es sich bei den Normen um totes Recht handle – die gestrichene Materie also nicht mehr angewendet wurde und demnach belanglos ist.„Tatsächlich betrifft diese Rechtsbereinigung den Normalbürger nur indirekt“, erklärt Verfassungsexperte Theo Öhlinger dem KURIER. Bis jetzt mache es nicht wirklich den Anschein, als wäre davon mehr als totes Recht betroffen.
Wiewohl der Top-Jurist den Beamten der Ministerien und des Verfassungsdienstes eine „unglaubliche Leistung“attestiert: „Das in so kurzer Zeit auszuarbeiten, ist wirklich eine beeindruckende Arbeit der Beamtenschaft“.
Diese Energieleistung führt allerdings auch zur Gefahr, die laut Öhlinger in diesem „grundsätzlich positiven“Vorhaben besteht: „Man wird erst jetzt in der Begutachtung sehen, ob auch Normen abgeschafft wurden, die man doch noch gebraucht hätte“. Er rechne damit, dass Interessensgruppen in den kommenden Wochen gegen die Streichung einzelner Normen wehren. Ex-VfGH-Präsident Ludwig Adamovich pflichtet ihm bei: Zwar sei die Rechtsbereinigung „im Wesentlichen eine positive Sache, denn Normen, die keiner mehr braucht, sind nicht gut.“Es könnte aber sein, „dass nun Interessen aufeinanderprallen“, sagt Adamovich. Allgemein könne man derzeit noch nicht sagen, ob das tägliche Leben von der Bereinigung betroffen sei. Verfassungsrechtler BerndChristian Funk ist da schon deutlicher: „Ich glaube, dass das nur einen bescheidenen Effekt haben wird.“Laut dem emeritierten Professor hält sich auch die erzielte Vereinfachung in Grenzen.
Im Gegensatz zu seinen Expertenkollegen beurteilt Funk das Vorhaben wie schon bisher negativ: „Da wurde ein aberwitziger Aufwand betrieben, der die Sache in keiner Weise wert ist.“