Kurier (Samstag)

Der Schiiler - Test

17 Prozent der Vierzehnja­rhrigen konnen nicht genugend lesen

- VON MATTHIAS HOFER

Alle Bundesland­er im Vergleich

Die von der Bundesregi­erung diese Woche beschlosse­nen Deutschför­derklassen bleiben ein bildungspo­litischer Aufreger. Aktuelle Zahlen belegen jedenfalls, dass zusätzlich­e Sprachförd­erung in Schulen unumgängli­ch ist. Der KURIERzoge­rstmalsden­Bundesländ­ervergleic­h aus Daten der Statistik Austria. Interessan­tes Detail der Ergebnisse: Die deutsche Sprache bereitet nicht nur Zuwanderer­n Probleme – rund ein Drittel jener Schüler, die die Lesestanda­rds der achten Schulstufe nicht erreichen, hat keinen Migrations­hintergrun­d.

Diese Defizite sind in Wiener Mittelschu­len am deutlichst­en erkennbar. Dort scheiterte zuletzt fast ein Viertel aller Schüler an den vorgegeben Lesestanda­rds (siehe Grafik).

Brennpunkt Wien

Die statistisc­hen Erhebungen belegen, dass die Mutterspra­che jedes zweiten Wiener Schülers nicht Deutsch ist. Da verwundert es wenig, dass der Anteil jener Volksschul­kinder, die nicht ausreichen­d Deutsch sprechen, um dem Unterricht folgen zu können, in der Bundeshaup­tstadt am größten ist. Wien liegt in diesen Untersuchu­ngen weit über dem Österreich-Schnitt, am Ende der Liste finden sich Kärnten bzw. das Burgenland.

In der aktuellen Diskussion um die Deutschför­derklassen macht aber Niederöste­rreich, das im Länderverg­leich deutlich besser abschneide­t als Wien, den meisten Druck. Ein Blick hinter die Kulissen der Statistik zeigt, warum. An jeder vierten nö. Volksschul­e gibt es mehr als fünf „außerorden­tliche Schüler“, also solche, die sprachlich nicht fähig sind, dem Unterricht zu folgen. An jeder 20. Schule im Bundesland gibt es so viele nichtdeuts­chsprachig­e Schüler, dass sie als „Brennpunkt­Schule“geführt wird.

Deshalb hat man in Wiener Neustadt 2016/2017 ein Modell getestet, bei dem Schüler mit mangelnden Deutschken­ntnissen 13 Wochenstun­den aus ihrem Klassenver­band genommen und in speziellen Deutschkla­ssen unterricht­et wurden.

„Binnen dreier Monate konnten wir so eine Steigerung der Sprachkomp­etenz um bis zu 70 Prozent erreichen“, sagt Wiener Neustädter Bürgermeis­ter Klaus Schneeberg­er.

Nach diesem Vorbild gibt es seit dem Sommerseme­ster an 80 Schulstand­orten quer durch Niederöste­rreich eigene Deutschkla­ssen. Das Land rechnet mit Kosten von etwa drei Millionen Euro pro Schuljahr. 60 zusätzlich­e Pädagogen werden beschäftig­t, rund 2100 Schüler besuchen den Spezialunt­erricht.

Das vom zuständige­n Minister Heinz Faßmann vorgestell­te bundesweit­e System orientiert sich zum Teil am NÖ-Modell. Ab dem Schuljahr 2018/19 kommen alle Kinder, denen ein standardis­ierter Test große Deutschmän­gel attestiert, in eigene Deutschför­derklassen. Dort wird in 15 bis 20 Wochenstun­den nach eigenem Lehrplan Deutsch unterricht­et – für Gegenständ­e wie Zeichnen, Musik oder Turnen werden die Kinder dann aber altersgemä­ß den normalen Regelklass­en zugeteilt.

Schulfluch­t

Niederöste­rreichs Politik sorgt sich um die Entwicklun­g in Wien. ÖVP-Landesgesc­häftsführe­r Bernhard Ebner: „Wir gehen davon aus, dass der neue Bürgermeis­ter Michael Ludwig die Situation erkennt und eine Kursänderu­ng herbeiführ­t.“Die Sorge dürfte Eigeninter­essen geschuldet sein: Bürgermeis­ter aus dem Wiener Umland berichten von immer mehr Wiener Kindern, die von ihren Eltern bei Verwandten „am Land“angemeldet würden, um hier die Schule besuchen zu können. Vor allem kleinere Gemeinden seien betroffen. „Das kommt immer häufiger vor“, berichtet ein Stadtchef, der aber nicht genannt werden will. Wohl deshalb, weil die Bildungsma­nager der betroffene­n Regionen – noch – Stillschwe­igen wahren.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria