Der Schiiler - Test
17 Prozent der Vierzehnjarhrigen konnen nicht genugend lesen
Alle Bundeslander im Vergleich
Die von der Bundesregierung diese Woche beschlossenen Deutschförderklassen bleiben ein bildungspolitischer Aufreger. Aktuelle Zahlen belegen jedenfalls, dass zusätzliche Sprachförderung in Schulen unumgänglich ist. Der KURIERzogerstmalsdenBundesländervergleich aus Daten der Statistik Austria. Interessantes Detail der Ergebnisse: Die deutsche Sprache bereitet nicht nur Zuwanderern Probleme – rund ein Drittel jener Schüler, die die Lesestandards der achten Schulstufe nicht erreichen, hat keinen Migrationshintergrund.
Diese Defizite sind in Wiener Mittelschulen am deutlichsten erkennbar. Dort scheiterte zuletzt fast ein Viertel aller Schüler an den vorgegeben Lesestandards (siehe Grafik).
Brennpunkt Wien
Die statistischen Erhebungen belegen, dass die Muttersprache jedes zweiten Wiener Schülers nicht Deutsch ist. Da verwundert es wenig, dass der Anteil jener Volksschulkinder, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, um dem Unterricht folgen zu können, in der Bundeshauptstadt am größten ist. Wien liegt in diesen Untersuchungen weit über dem Österreich-Schnitt, am Ende der Liste finden sich Kärnten bzw. das Burgenland.
In der aktuellen Diskussion um die Deutschförderklassen macht aber Niederösterreich, das im Ländervergleich deutlich besser abschneidet als Wien, den meisten Druck. Ein Blick hinter die Kulissen der Statistik zeigt, warum. An jeder vierten nö. Volksschule gibt es mehr als fünf „außerordentliche Schüler“, also solche, die sprachlich nicht fähig sind, dem Unterricht zu folgen. An jeder 20. Schule im Bundesland gibt es so viele nichtdeutschsprachige Schüler, dass sie als „BrennpunktSchule“geführt wird.
Deshalb hat man in Wiener Neustadt 2016/2017 ein Modell getestet, bei dem Schüler mit mangelnden Deutschkenntnissen 13 Wochenstunden aus ihrem Klassenverband genommen und in speziellen Deutschklassen unterrichtet wurden.
„Binnen dreier Monate konnten wir so eine Steigerung der Sprachkompetenz um bis zu 70 Prozent erreichen“, sagt Wiener Neustädter Bürgermeister Klaus Schneeberger.
Nach diesem Vorbild gibt es seit dem Sommersemester an 80 Schulstandorten quer durch Niederösterreich eigene Deutschklassen. Das Land rechnet mit Kosten von etwa drei Millionen Euro pro Schuljahr. 60 zusätzliche Pädagogen werden beschäftigt, rund 2100 Schüler besuchen den Spezialunterricht.
Das vom zuständigen Minister Heinz Faßmann vorgestellte bundesweite System orientiert sich zum Teil am NÖ-Modell. Ab dem Schuljahr 2018/19 kommen alle Kinder, denen ein standardisierter Test große Deutschmängel attestiert, in eigene Deutschförderklassen. Dort wird in 15 bis 20 Wochenstunden nach eigenem Lehrplan Deutsch unterrichtet – für Gegenstände wie Zeichnen, Musik oder Turnen werden die Kinder dann aber altersgemäß den normalen Regelklassen zugeteilt.
Schulflucht
Niederösterreichs Politik sorgt sich um die Entwicklung in Wien. ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner: „Wir gehen davon aus, dass der neue Bürgermeister Michael Ludwig die Situation erkennt und eine Kursänderung herbeiführt.“Die Sorge dürfte Eigeninteressen geschuldet sein: Bürgermeister aus dem Wiener Umland berichten von immer mehr Wiener Kindern, die von ihren Eltern bei Verwandten „am Land“angemeldet würden, um hier die Schule besuchen zu können. Vor allem kleinere Gemeinden seien betroffen. „Das kommt immer häufiger vor“, berichtet ein Stadtchef, der aber nicht genannt werden will. Wohl deshalb, weil die Bildungsmanager der betroffenen Regionen – noch – Stillschweigen wahren.