Europäer in der Zwickmühle Der Alltag ist zurück – „Cappuccino oder Macchiato?“
Israel.
Eigentlich läuft in Katzrin, Israels „Hauptstadt auf dem Golan“, der Alltag gemächlich ab. Nur am Freitag sieht es immer so aus, als ob alle 7000 Einwohner gleichzeitig einen Platz in den Cafés des Einkaufszentrums ergattern wollen – auch einen Tag, nachdem iranische Revolutionsgarden in Syrien 20 Raketen in Richtung der seit 1967 von Israel besetzten Golan-Höhen abschossen. Israel bombte im Gegenzug 50 Stellungen der Iraner in Syrien in Schutt und Asche. „Ob wir da auch heute kommen, war keine Frage“, lächelt Nitzana (37) mit drei Kindern im Schlepptau, „schon aber: Cappuccino oder Macchiato?“
War da etwas? Israels Armee hatte nur Stunden vor dem Schlagabtausch die Öffnung sonst verriegelter Bunker angewiesen. Doch schon Freitagmittag hieß es: „Der Alltag kann wieder uneingeschränkt stattfinden.“Da trank Nitzana schon ihren zweiten Latte.
Auch im Gästehaus vom Kibbutz Eyn Siwan weiter nördlich, direkt am Stacheldraht zu Syrien, wurde die Kürze des Schlagabtauschs erleichtert aufgenommen. Der blieb hier aber nicht ohne Folgen: „Sonst haben wir am Wochenende Hunderte Besucher. Heute kamen keine 100.“
Israels Verteidigungsminister Avigdor Lieberman hatte gewarnt: „Wer uns Regen schickt, muss mit einer Sintflut rechnen.“Warnung angekommen. Alles in allem kann Premier Benjamin Netanjahu auf eine Erfolgsbilanz verweisen: US-Präsident Donald Trump stieg aus dem Nuklear-Abkommen aus. Am Montag wird die US-Botschaft in Jerusalem eröffnet. Und lauter noch als die Eröffnungsfanfaren in Jerusalem tönt Moskaus Schweigen. Nicht ganz: Ein Kreml-Sprecher gab kurz bekannt, dass Syrien vorläufig S-300 Luftabwehrraketen nicht erhält.
Eines muss man Netanjahu lassen: Mit Populisten kann er. Nur Stunden bevor die Raketen flogen, saß Netanjahu noch bei Wladimir Putin. Der erinnert sich jetzt, dass er im syrischen Bürgerkrieg das blutigste, aber auch säkularste Regime der arabischen Welt unter- stützt. Irans Pläne, dort ein schiitisches MullahRegime zu errichten, dürften nicht in Putins Plan passen. Aber nicht alles passt auch in Netanjahus Bilanz: Die Proteste am Zaun zum Gaza-Streifen sollen mit der Eröffnung der USBotschaft in Jerusalem ihren Höhepunkt erreichen. Nahöstliche Eigendynamik fragt nie bei allen Beteiligten an, bevor sie ihre Überraschungen platzen lässt. Ex-Geheimdienstchef Ami Ayalon: „Auf eine Sache kommt es an: Die Zahl der Todesopfer muss niedrig bleiben.“
Auch Avigdor Lieberman trank am Freitag in Katzrin seinen Kaffee. Schwarz. Nur wenige Tische von Nitzana entfernt, erklärte er dem lauernden Presse-Pulk: „Der Alltag hat uns wieder.“Und: „Wir sind auf alles vorbereitet.“